Unsere Buchempfehlungen im April
Kindler Verlag 20,00€ |
Lenz Koppelstätter: "Almas Sommer"Dreimal Sommerfrische in Südtirol, dreimal Alma Mahler-Werfel und Gustav Mahler in Toblach, das präsentiert uns Lenz Koppelstätter in „Almas Sommer“. Und wenn Sie mit Sommerfrische vielleicht so etwas wie Erholung und Entspannung verbinden, kann ich nur sagen: Dass war zumindest Alma und Gustav nicht vergönnt. Als Leserin ist man sehr froh, dass man nur von außen zugucken darf – ein Vergnügen – aber nicht Teil dieser Sommerurlaube in den Jahren 1908 - 1910 sein muss. Von beiden Protagonisten ist bekannt, dass sie keine einfachen Charaktere waren: Alma galt als eine der schönsten Frauen Wiens, hatte jede Menge Verehrer (und später auch Ehemänner), was sie offensichtlich für völlig angemessen hielt. Zudem war sie musikalisch extrem begabt, musste aber vor der Eheschließung mit Mahler versprechen, dass sie ihre Tätigkeit als Komponistin einstellen würde. Koppelstätter gelingt mit seinem Roman ein wirkliches Lesevergnügen. Gut recherchiert, kompetent und mit feiner Ironie portraitiert der Autor dieses außergewöhnliche Paar. Der Roman bietet Unterhaltung, lotet aber auch die Tragik der Persönlichkeiten und ihrer Beziehung zueinander aus. Ein schöner Kontrapunkt zu Robert Seethalers Roman „Der letzte Satz“. Astrid Henning
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Luchterhand 22,00€ |
Kristine Bilkau: "Nebenan"Eine Kleinstadt, eine Autostunde nördlich von Hamburg entfernt. Ein Ort im Niedergang, idyllisch am Kanal gelegen, aber doch vom Wegzug der Menschen bedroht. In diesem Szenario stellt uns die Autorin Bilkau in ihrem zweiten Roman einige Frauenschicksale vor. Julia ist eine von ihnen. Mit Ende dreißig sind Chris und sie erst vor kurzen in das Efeuhaus gezogen, weg aus einem trendigen, wirrigen Stadtteil Hamburgs. Chris forscht als Umweltbiologe und ist erfüllt von seiner sinnvollen Arbeit. Julia eröffnete einen kleinen Töpferladen, doch am liebsten ist es ihr, wenn sie ihre Produktion nur verschicken kann und möglichst wenig Kundenkontakt haben muss. Scheusein war nicht immer eine Eigenschaft von ihr, aber seit der Wunsch ein Kind zu bekommen, immer mehr Raum einnimmt und später zur fixen Idee wird, meidet Julia Menschen, insbesondere junge Familien. Trotz intensiver, teurer medizinischer Behandlung, gelingt es Julia nicht schwanger zu werden. Eine schwere seelische Belastung und nicht einfach für eine Beziehung. Die Frauenschicksale in diesem gefühlvollen Roman sind zart miteinander verknüpft. Freundschaft, Nähe, ein Achtgeben auf den anderen, aber auch ein Auseinandersetzen mit verschütteten Sehnsüchten, die an die Oberfläche drängen, diese Themen werden in dem Roman, in dem eigentlich gar nicht so viel passiert, fesselnd behandelt. Ich war tief drin in den Geschichten der so unterschiedlichen Frauen und das hat mir sehr gefallen. Annette Matthaei
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Ars Vivendi 20,00€ |
Ewald Arenz: "Meine kleine Welt"Den Schriftsteller Ewald Arenz kennen viele von Ihnen von seinen Romanen „Alte Sorten“ und „Der große Sommer“. Mit Begeisterung habe ich diese beiden Bücher gelesen, fasziniert von Arenz Sprachgewandheit und seiner Liebe zum Detail. Arenz Alter Ego Heinrich berichtet in diesen Texten von kleinen Episoden aus dem Familienalltag mit seinen Kindern Theo, Philly und Otto, seiner Frau Juliane und der immer präsenten Hauskatze. Humorvoll, politisch manchmal nicht ganz korrekt, immer herzlich, herrlich skurril und unpädagogisch beschreibt Arenz Situationen, die jedem von uns auf die eine oder andere Art bekannt vorkommen werden. Er erzählt von den kleinen Missgeschicken und Desastern des Alltags so pointiert und witzig, dass man nicht umhinkommt, manchmal laut zu lachen: So landet er mit seinem jüngsten Sohn in einem Striptease-Lokal auf der Reeperbahn, beschreibt die Lebensgefahr, die an Samstagen auf Baumarktparkplätzen lauert, und versucht mehr oder weniger verzweifelt im Familienchaos nicht völlig unterzugehen. Arenz versteht es wirklich, mit einem Schmunzeln auf dem Gesicht von den kleinen und größeren Katastrophen des Alltags zu erzählen. Fest steht die ganze Zeit, dass alle Beteiligten lieben und geliebt werden und die Familie letztlich das ist, was trägt, auch wenn es manches Mal nicht ganz einfach ist! Am Anfang war ich zugegebenermaßen etwas skeptisch, doch das Buch erwies sich für mich und meine Kinder als unerwartetes (Vor-)Lesevergnügen! Gemeinsam ist allen Büchern Ewald Arenz‘, dass die Quelle seines Tuns und Schreibens die Familie ist. Ein wunderbares Buch, um in diesen grauen Zeiten wieder einmal herzlich zu lachen! Sabine Christ
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Rowohlt Hundert Augen 22,00€ |
Mareike Fallwickl: "Die Wut, die bleibt"Selten hab ich ein Buch gelesen, das mit einem solchen Paukenschlag beginnt: Eine scheinbar harmlose Abendbrot-Szene in einer Familie, Johannes und Helene, die Eltern, dazu drei Kinder im Alter von anderthalb bis 14 Jahren. Johannes fragt/sagt „Haben wir kein Salz?“ und Helene steht auf, geht auf den Balkon und springt runter. Nach dieser Eröffnung muss man erstmal tief durchatmen, aber dafür bleibt gar nicht so viel Zeit, denn Fallwickl richtet ihren Blick sofort auf zwei Personen: Zum einen auf Lola, die 14-jährige Tochter, in der vor allem ein Gefühl vorherrscht und das ist Wut. Natürlich ist sie auch traurig und fühlt sich verlassen, das spüren wir als Leser, aber in Lola selbst tobt – die Wut, ein heller Zorn. Mareike Fallwickl findet ganz außergewöhnliche Worte für die komplexen Gefühle ihrer Romanfiguren, das Buch macht aber auch nochmal sehr deutlich, welche Rolle Frauen in unserer Gesellschaft bis heute ausfüllen. Ein Buch, das mich über die Lektüre hinaus nachhaltig beschäftigt und über das man unbedingt mit anderen LeserInnen sprechen möchte. Astrid Henning
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Heyne 22,00€ |
Jan Weiler: "Der Markisenmann"Der Anblick des neuenBuches von Jan Weiler erweckt wohl bei jedem, der die Zeit mitgemacht hat, schrille Assoziationen an die 70er Jahre. Dieses abgrundtief hässliche Design war einzigartig für die wilden Jahre und ist heutzutage beinahe wieder Kult - der Hammer. Die 15jährige Kim staunt nicht schlecht, als sie ihrem leiblichen Vater Ronald Papen das erste Mal in ihrem Leben gegenüber steht. Der „Unscharfe“, wie Kim ihren bis dato nicht existenten Vater nennt, haust in einer alten Fabrikhalle, Industriegebiet von Duisburg, direkt am Rhein-Herne-Kanal, gemeinsam mit unzähligen Rollen Markisenstoff in rotorangebraun (Mumbai), wahlweise blaugrün(Amsterdam). Es ist unfassbar, dieser schmächtige Kerl scheint völlig durchgeknallt. Ein Markisenvertreter, das geht gar nicht. Und bei diesem Typen soll sie die Sommerferien verbringen… Jan Weiler hat es einfach drauf, skurrile Typen zu beschreiben. Seien es die harten Jungs, die sich täglich in Rosi‘s Pilstreff versammeln, den Schrott sammelnden Jungen Alik, aber eine besondere Liebe gilt den Loosern, hier der bescheidene, sanftmütige Papen und nicht zuletzt die Erzählerin. Tiefgang bekommt der Roman durch die Fragen nach Schuld, Vergangenheit und Wurzeln. Ein wirklich großartiges Buch! Annette Matthaei
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Droemer Verlag 20,00€ |
Marietta Slomka: "Nachts im Kanzleramt"Diese Autorin muss man nun wahrlich nicht vorstellen, Marietta Slomka ist als Moderatorin des „heute journals“ bestens bekannt. Der Journalistin ist mit ihrem neuen Buch etwas wirklich Außergewöhnliches gelungen: Wer liest schon gern und freiwillig ein Buch über das Funktionieren von Politik, das auch Bereiche wie Wirtschaft und Recht nicht außer Acht lässt? Das klingt trocken und anstrengend. All dies ist aber „Nachts im Kanzleramt“ überhaupt nicht, im Gegenteil. Unterhaltsam und kompetent bietet Slomka einen Überblick über die Grundlagen unserer Demokratie: Wie funktionieren bei uns Wahlen, wie die Parteien, was passiert vielleicht auch hinter den Kulissen – wir erinnern uns an die Kür so manches Kanzlerkandidaten. Nicht unerwähnt bleiben sollen hier die kleinen Cartoons von Mario Lars, die in den Text eingestreut sind und ihn so nochmal pointiert unterstreichen. Insgesamt ist „Nachts im Kanzleramt“ ein Buch, dass wirklich viele unterschiedliche LeserInnen finden kann: Lesealter ab ca. 15/16 Jahren (toll zur Konfirmation!), aber auch für Erwachsenen hochinteressant. Astrid Henning
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Knaur Verlag 12,99€ |
Mona Nikolay: "Rosenkohl und die tote Bete"Ach ja, so ein Schrebergarten, das könnte wirklich was Schönes sein. Ein Platz im Grünen, ein bisschen gärtnern, ein bisschen grillen – auf jeden Fall jede Menge Entspannung. Doch gleich am ersten Tag, Caros Mann Eike greift tatkräftig zum Spaten, um ein Beet umzugraben, macht man eine unschöne Entdeckung: Neben Regenwürmern und kleinen Käfern befindet sich eine veritable Leiche im Beet – das ist, oder vielmehr war: Kalle, Vorbesitzer des Schrebergartens. Damit hatte man ja nun wirklich nicht gerechnet, weder Familie von Ribbeck, noch der Nachbar nebendran, die zweite Hauptfigur in diesem amüsanten Krimi, nämlich Manne Nowak, Vorsitzender des Kleingartenvereins „Harmonie“. Manne ist Ex-Polizist und: Ex-Freund von Kalle, denn in letzter Zeit hatten die beiden sich eigentlich nur noch gestritten, weshalb auch bald Mannes alte Kollegen von der Polizei vor der Gartenpforte stehen und ihn des Mordes verdächtigen. Mona Nikolay hat einen erfrischenden „cosy crime“ geschrieben, der sich auf der Gartenliege leicht und flüssig wegliest, nachdem man hoffentlich ohne unangenehme Entdeckungen die Gartenarbeit erledigt hat. Astrid Henning
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Verlag Antje Kunstmann 22,00€ |
Nicolò Targhetta: "Alles spricht"Sprechen Sie manchmal mit Ihren Topfpflanzen? Ganz bestimmt, jeder tut das ab und zu und angeblich soll es ja auch irgendwie helfen oder etwas bewirken; der Pflanze oder Ihnen, man weiß es nicht genau. Wenn Sie allerdings mit Ihrem Zahnputzbecher, Ihrem Mixer oder Ihrem Kerzenständer kommunizieren, sollten Sie sich doch Gedanken machen oder vielleicht auch nicht; möglicherweise ist auch das ganz normal. Wenn Ihnen die genannten Gegenstände dann jedoch beginnen zu antworten, dann ... geht es Ihnen wie der weiblichen Hauptperson im Roman „Alles spricht“ des italienischen Autors Nicolò Targhetta. Er ist Mitte dreißig und schreibt eigentlich Kurzgeschichten auf Facebook, mit denen er in Italien sehr bekannt geworden zu sein scheint. In seinem Roman erzählt dieser (junge) Mann über die existentielle Lebenskrise einer Frau als wäre es seine eigene. Das hat mich sehr fasziniert. Eine Frau, ebenfalls vermutlich in den Dreißigern, wird von ihrem Freund verlassen, mit dem sie fünf Jahre zusammen war. Alles in ihrem Leben scheint innerhalb kurzer Zeit auseinander zu brechen, alles geht kaputt, wird zerlegt: Freund weg, Job weg, Ausweglosigkeit. Die kleinen blauen Pillen, die Erleichterung versprechen, winken aus der Dose im Badezimmerschrank. In ihrer Verzweiflung und Einsamkeit, in ihrem Zorn und ihrer Enttäuschung gefangen, versucht die Frau, Antworten, Wege und Lösungen zu finden, aber eben auch ihre Selbstzweifel und ihre Wut irgendwie loszuwerden. Das tut sie, indem sie mit Dingen spricht, bevorzugt mit ihrem geduldigen, alten, abgenutzten Sofa, aber auch mit der besserwisserischen Zimmerpflanze ihrer Therapeutin oder ihrem Aschenbecher. Und - oh Wunder - die Sachen antworten, erteilen Ratschläge, ernüchtern oder helfen, so gut es ihnen eben möglich ist. Zu verrückt denken Sie jetzt? Zu deprimierend oder merkwürdig? Nein, Targhettas Buch ist weder das eine noch das andere. Es ist fein und nachdenklich, manchmal traurig, dann wieder zum Brüllen lustig. Der Autor jongliert mit den Worten, und das tut er wirklich meisterhaft. Mir jedenfalls ist es am Ende überhaupt nicht mehr seltsam vorgekommen, dass „alles spricht“ - und das Sofa habe ich nach der Lektüre wirklich vermisst! Sabine Christ
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Unsere Buchempfehlungen im März
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S. Fischer 20,00€ |
Fabio Genovesi: "Die Botschaft der Riesenkalmare"Manchmal gibt es diesen magischen Moment: Man beginnt ein neues Buch und schon nach ein paar Seiten ist man gefangen, ist man „drin“ – quasi schockverliebt. So ging es mir mit der „Botschaft der Riesenkalmare“, ein Buch wie ein Geschenk, überraschend, erstaunlich und vor allem ein Quell von Geschichten - was es nicht einfach macht, davon zu erzählen. Fabio Genovesi macht uns mit unglaublichen Geschöpfen bekannt: den Riesenkalmaren. Noch immer wissen wir nicht allzu viel über diese Tiere, die bis zu 18 Metern lang werden können, mit 10 Armen und Augen von bis zu 40 cm Durchmesser. Schon im 18. und 19. Jahrhundert gab es Berichte - vor allem von Seeleuten – die von Begegnungen mit diesen Tieren berichtet haben, aber geglaubt hat man ihnen nicht, „Seemannsgarn“, „zu tief ins Glas geschaut“, ganz klar. Genovesis Buch ist aber noch viel mehr, denn er erzählt auch von den Menschen, die sich der Erforschung der Riesenkalmare gewidmet haben. Und das waren wirklich ganz besondere Kaliber, leidenschaftlich und ein klein wenig verrückt. Auch wird klar, wie wenig wir Menschen von manchen Bereichen der Natur kennen, insbesondere vom Meer. Genovesi beschreibt es ganz treffend: Wenn wir einen Tag am Strand gewesen sind, sagen wir: „Ich hab heute das Meer gesehen“. In Wirklichkeit ist es aber so, als würden wir zum Zirkus gehen, einmal um das Zelt herumlaufen und sagen: „Ich habe heute den Zirkus gesehen“. Es bleibt also noch viel zu entdecken. Was das Buch so ganz besonders macht, ist Genovesis Ton: charmant, leichtfüßig, voller Liebe zur Natur und geradezu mitreißend. Dass dann auch noch seine Großmutter eine spezielle Rolle spielt, eine echte italienische „Nonna“, sei hier nur kurz erwähnt. Dieses Buch hat alles, was es braucht, um uns zu begeistern, uns erneut klar zu machen, von welch magischen Welten wir umgeben sind und ich kann Sie nur ermutigen, sich auf eine Liebesbeziehung mit diesem Buch einzulassen. Astrid Henning
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Galiani Verlag 20,00€ |
Jakob Hein: "Der Hypnotiseur"Anfang der 80er Jahre in einem kleinen Dorf im Odertal, ehemalige DDR: Hier ist Micha gestrandet, nachdem er aus politischen Gründen aus dem Psychologie-Studium geschmissen wurde. Seine Ansichten zum Marxismus-Leninismus passten nicht so recht zu dem, was die offizielle Ansicht war – und das war’s dann mit der Psychologie. Nach dem Tod seiner Großmutter kommt er auf eine geniale Idee: Im Rahmen seiner zwei Jahre Studium hat er durchaus intensiver das Thema Hypnose gestreift und bietet nun „Hypnose-Reisen“ an – in Gedanken kann man in fernste Länder entschwinden. Offiziell natürlich politisch total korrekt in die sozialistischen Bruderstaaten, oder noch weiter, nach Nordkorea gar. Aber wohin wollen die Leute? Na klar, nach Paris, London, New York usw. Gleich seine erste Klientin Anika hat einen „Paris-Fimmel“ und ist so begeistert von ihrer Gedankenreise, dass sie den Hof gar nicht mehr verlassen will. Mit viel Energie und Geschäftssinn hilft sie Micha auf die Sprünge und professionalisiert das Unternehmen. Bald herrscht reges Treiben in dem Dorf, ein buntes Völkchen ist es, das sich da versammelt und teilweise auf dem Hof häuslich niederlässt, was natürlich den Argwohn der Stasi weckt. Zum anderen kann man etwas sehr Interessantes feststellen: Viele Menschen haben ja so ihre Traum-Urlaubsziele im Kopf, die Karibik meinetwegen. Doch kaum setzt man das Ganze dann in die Realität um, verträgt man das Essen nicht, man bekommt gemeine Insektenstiche und der Strand ist auch nicht so leer wie in der Phantasie. Jakob Hein hat seinem Roman ein Zitat von Schopenhauer vorangestellt: „Im Reich der Wirklichkeit ist man nie so glücklich wie im Reich der Gedanken.“ Dem Autor ist ein schöner, sehr feiner Roman gelungen, ein Vergnügen, durchaus, aber eben auch ein unbedingtes Plädoyer für die Gedankenfreiheit. Astrid Henning
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Aufbau TB 12,00€ |
Jan Steinbach. "Was wir Glück nennen"Lüneburg im Jahre 1961. Wolfgang, der Älteste und designierter Betriebserbe, interessiert sich wenig für Kunst und Handwerk. Sein Herz schlägt für Rock‘n Roll und Beatmusik. Ein großer Gitarrist will er werden und träumt von einer Karriere auf den Bühnen der Clubs in St.Pauli und einem echten Hit. Sehr zum Verdruss des strengen Vaters, der sich die Flausen seines Sohnes kategorisch verbietet. Die Rahmenhandlung spielt in der Jetztzeit. Die junge Restauratorin Jordis hat einen Auftrag im Ratshaus übernommen. Hier bekommt sie Besuch von ihrem Großonkel Wolfgang, einem berühmten Schlagerproduzenten, der sich - wo auch sonst - in einer Suite in Hotel Bergström, Hauptschauplatz der „Roten Rosen“, einmietet. Gemeinsam decken sie mehrere Jahrzehnte zurückliegende Familiengeheimnisse auf. Dieser Roman ist leichte, leichte Kost und hat mir doch auf charmante Weise ein Wochenende mit wirklichem Lesevergnügen beschert. Jan Steinbach war Stipendiat im Heinrich-Heine Haus und hat in dieser Zeit Lüneburg kennen und lieben gelernt. Das spürt man aus jeder Zeile. Und klar ist, am nächsten freien Termin steht für mich eine Führung durch unser wunderschönen Rathaus auf dem Programm! Annette Matthaei
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Dumont 23,00€ |
Delphine De Vigan: "Die Kinder sind Könige"Mélanie leidet seit der Kindheit unter ihrer Unscheinbarkeit. Als junges Mädchen bewirbt sie sich für die Teilnahme an einer Reality Show, ein französisches Pendant zu „Big brother“. Bereits in der Vorrunde fliegt sie achtkantig raus. Ein tiefsitzendes Trauma. Mittlerweile hat sie ihr größtes Ziel doch erreicht, sie ist berühmt. Mit ihrem Mann Bruno und den beiden Kindern Sammy und Kimmy lebt sie in einer eleganten Wohnsiedlung in einer guten Gegend von Paris. Ihr Vermögen hat sie mit einem Youtube Kanal gemacht, in dem sie regelmäßig Videos und Clips von ihren Kindern postet. Mehr als 2 Millionen Klicks kommen da schon mal auf einen Beitrag zusammen. Die Kinder nehmen ihre Rollen als Stars wie dressierte Äffchen an. Natürlich sind Spielzeugfirmen, Süßigkeitenhersteller, die Kinderbekleidungsbranche auf die Familie Claux aufmerksam geworden. Sie werden mit Produkten, die dann in den Filmchen platziert werden, überhäuft, zahlen horrende Summen für die Bewerbung ihrer Produkte. Delphine de Vigan macht klar, in was für einer verrückten, konsumorientierten Welt wir leben und dass Kinder dringend geschützt werden müssen, vor Eltern, die ihre Bedürfnisse skrupellos über die ihrer Schutzbefohlenen stellen. Großartig auch ist die Gegensätzlichkeit der beiden Protagonistinnen herausgearbeitet. Die oberflächliche, nach Aufmerksamkeit gierende Mélanie steht im krassen Gegensatz zu der Einsamkeit liebenden, reflektierten Clara. Annette Matthaei
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Ullstein TB-Verlag 10,99€ |
Taylor Jenkins Reid: "Die sieben Männer der Evelyn Hugo"Dieses Buch geht auf den sozialen Medien komplett durch die Decke: überall ist sie zu sehen, die atemberaubend schöne Frau in dem grünen Kleid. Oft sind es aber gerade diese Bücher, die etwas enttäuschen. Bei so vielen begeisterten Stimmen und so vielen eifrigen Leser*innen, sind die Erwartungen am Ende einfach zu hoch. Anders jedoch bei diesem Buch, das so anders war als ich es eigentlich erwartet hatte. Evelyn Hugo ist eine Legende des goldenen Zeitalters von Hollywood. Sie ist eine Ikone in Sachen Stilsicherheit, Lifestyle und Schauspielerei. Ihre Performances sind berüchtigt, wurden gefeiert und getadelt zugleich – kurz, sie war ihrer Zeit eindeutig voraus. Mittlerweile geht die kamerascheue Kubanerin auf die 80 zu und ist bereit auszupacken. Sie möchte erzählen wie ihre Karriere ihren Anfang fand, was wirklich hinter ihren erinnerungswürdigsten Auftritten steckte und wie es dazu kam, dass sie in ihrem Leben mit gleich sieben Männern verheiratet war. Taylor Jenkins Reid hat ambivalente Charaktere geschaffen, die nicht ganz durchschaubar und doch so verwirrend liebenswert sind. Mit jedem Ehemann lernen wir Evelyn Hugo ein kleines bisschen besser kennen und wissen doch letztlich noch gar nichts über sie: ein spannendes Leseerlebnis, das sich Seite um Seite entfaltet, um schrittweise tiefer unter die Haut zu gehen. Sehr angenehm zu lesen, nicht allzu düster und schwermütig, aber dennoch überhaupt nicht flach. Mattes Daugardt
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Kampa Verlag 22,00€ |
Jean Kyoung Frazier: "Pizza Girl"Jane lebt in einem Vorort von Los Angeles. Tagsüber arbeitet sie für einen Pizza-Lieferanten, abends kehrt die 18jährige müde und erschöpft zu ihrer Mutter und ihrem Freund Billy nach Hause zurück. Seit sie schwanger ist, lassen die beiden sie kaum noch einen Finger rühren. Das geht Jane bald schon gewaltig auf die Nerven, schließlich ist sie nicht krank. Offenbar haben die zukünftige Großmutter und der werdende Vater viel mehr Interesse an ihrem wachsenden Bauch, als Jane selbst.... Alles ändert sich an dem Tag, an dem eine Kundin Salamipizza mit Gürkchen für ihren Sohn bestellt. Als Jane mit der Lieferung vor der fremden Frau steht, gerät ihr ohnehin schon kompliziertes Leben in absolute Schieflage... Stellen Sie sich vor, Sie hätten den ganzen Tag schon Heißhunger auf eine köstliche Pizza. Endlich steht sie dampfend vor Ihnen und Sie stecken den ersten Bissen in den Mund... Eine absolute Gaumenfreude! Tauschen Sie nun das Wort "Gaumen" gegen "Lese" aus, und Sie wissen, was Sie in diesem Buch erwartet! Frisch, frech, köstlich! Andrea Westerkamp
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Aufbau Verlag 20,00€ |
Tove Ditlevsen: "Gesichter"Tove Ditlevsen hat in der Kopenhagen-Trilogie ihr eigenes Leben autofiktional verarbeitet und erfahrbar gemacht. Wir begleiteten die fiktionale Tove durch ihre Kindheit in einem dänischen Arbeiterviertel der 1920er Jahre, wuchsen gemeinsam mit ihr durch die Jahre der Freiheitssuche in ihrer turbulenten Jugend und litten kollektiv, als sie der Abhängigkeit von Rauschmitteln und der Abhängigkeit von anderen Menschen verfiel. Ein Werk, das in dessen Sprachgewalt begeistert hat. Umso toller ist es, dass nun eine weitere Geschichte aus der Feder dieser großen Autorin post mortem als Neuübersetzung im Aufbau Verlag erschienen ist. In „Gesichter“ befinden wir uns in den späten 60er Jahren von Kopenhagen. Lise Mundus ist Ehefrau, Mutter und Autorin: gesellschaftliche Normen bestimmen die Hierarchie dieser Rollen. Zuerst ist sie Ehefrau, doch ihr Mann geht ihr fremd. An zweiter Stelle ist sie Mutter, doch ihre Kinder (und ihr Mann) wenden sich lieber dem hübschen und klugen Kindermädchen zu. Aber zuletzt ist sie auch noch Autorin und das, entgegen der gesellschaftlichen Vorstellungskraft, mit Leib und Seele. Daher ist es bei all ihren Problemen gerade die Angst vor der Inspirations-losigkeit, die auf so besondere Weise an ihr nagt. Die Angst vor Redundanz und künstlerischer Unbedeutsamkeit. Lise nimmt uns mit, tief in das Wirrsal ihrer Bewusstseinsstörung. Als Leser*innen sind wir ihrer Erfahrung unglaublich nah und doch können wir sie als Menschen schwer fassen: ein sprachliches Spiel der Spannung zwischen Distanzlosigkeit und empathischer Reserviertheit, das Tove Ditlevsen betreibt. Mattes Daugardt |
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Goldmann TB 10,00€ |
Juan Gómez-Jurado: "Die rote Jägerin"Bilbao Madrid Dieses neue Ermittlerduo besticht durch seine offensichtlichen Unterschiede, und das meine ich nicht nur äußerlich. Voller Esprit und Humor beschreibt uns der spanische Autor diese beiden Ausnahmeerscheinungen. Jon: ewiger Sohn, schwul bis in die stets frisierten Haarspitzen, rund (aber nicht dick, darauf legt er Wert), in feinsten Zwirn gehüllt, ein munterer Plauderer und Menschenfreund, normal intelligent. Antonia: hager, unnahbar, trauernd, Mutter ohne Kind (lebt beim Großvater), Ehefrau ohne Mann (liegt im Koma), wortkarg, egozentrisch, tablettensüchtig und GENIAL. Ich möchte mehr davon!!! Andrea Westerkamp
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Unsere Buchempfehlungen im Februar
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C.H. Beck Verlag 22,00€ |
Christiane Hoffmann: "Alles, was wir nicht erinnern."Was für ein außergewöhnlicher Weg, sich der eigenen Familiengeschichte zu nähern: Christiane Hoffmann wandert im Januar 2020 auf den Spuren ihres Vaters – 550 km von Schlesien bis nach Wedel bei Hamburg. Im Alter von x Jahren muss die Familie ihres Vaters aus Rosenthal, heute Rózyna, in Niederschlesien aufbrechen, „der Russe“ steht kurz vorm Dorf, innerhalb von ein paar Stunden wird das Nötigste zusammengerafft und am Nachmittag des 22. Januar 1945 macht sich ein Treck des Dorfes auf den Weg. Zunächst meint man, man müsse nur ein paar Ortschaften weiterziehen, um dort das Ende des Kriegs abzuwarten, aber tatsächlich werden die Rosenthaler ihren Ort erst Jahrzehnte später, wenn überhaupt, wiedersehen. Hoffmann findet eine ausgezeichnete und angemessene Balance in der Schilderung der beiden Gruppen: Hier die deutschen Fliehenden und ihre Trauer über den Verlust, materiell und natürlich auch seelisch, und dort die Neuankömmlinge, ihrerseits nicht unbedingt freiwillig aus der Ukraine und Litauen kommend. Und dazwischen, im Januar 2020, eine Deutsche, die wandernd den Beschädigungen – auch hier physisch und psychisch - der Elterngeneration nachspürt. Astrid Henning
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Hanser Berlin 22,00€ |
Vendela Vida: "Die Gezeiten gehören uns"1984/85 in Sea Crest, San Francisco. Vandela Vida hat ein tolles Buch über das Mädchen- und Frausein, aber vor allem über das Frauwerden geschrieben. Ganz nebenbei kommentiert sie noch die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Tech Booms in San Francisco. Mattes Daugardt
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Rowohlt 10,00€ |
Valerie Jakob: "Mauersegler"Eintauchen in einen Schmöker, zusammen mit Juliane, Marianne und Roseanne, das können Sie in Valerie Jakobs „Mauersegler“: Die Geschichte beginnt in der Gegenwart in Berlin, Juliane hat ihren ungeliebten Job als Lehrerin aufgegeben, um zu ihrem Freund nach Berlin zu ziehen und weiß noch nicht so richtig, wie es beruflich für sie weitergehen soll. Im Moment hält sie ihrem Freund den Rücken frei, der gerade dabei ist sich selbständig zu machen. Dumm nur, dass er ihr nach ein paar Wochen gesteht, eine andere Frau kennengelernt zu haben… In den 20ern erwachsen geworden, war Marianne ein Freigeist, eine Entdeckerin und Abenteuerin: Sie genießt das Leben in vollen Zügen, lernt erst Auto fahren und lässt sich schließlich sogar gemeinsam mit ihrer Freundin Roseanne zur Pilotin ausbilden. Die beiden Frauen übernehmen Transportflüge in den Senegal, wo Roseannes Bruder eine Handelsvertretung aufgebaut hat. Doch mit dem Aufstieg der Nazis ändert sich auch das Frauenbild in Deutschland, eine berufstätige Frau und auch noch Mutter ist nicht akzeptabel, außerdem entwickelt sich Mariannes Ehemann zum Tyrannen und schließlich bleibt nur ein Weg, aus diesem Gefängnis zu entkommen… Marianne und Roseanne hat es in der Realität nicht gegeben, aber ihre Geschichte ist inspiriert von so mutigen Frauen wie Elly Beinhorn und Amelia Earheart, Pionierinnen der weiblichen Fliegerei. Dieser Roman bietet wirklich fesselnde und besondere Unterhaltung, in einer sehr passender Balance zwischen Gegenwart und Zeitgeschichte. Astrid Henning
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Goldmann TB 11,00€ |
Leona Deakin: "Lost - Du darfst dich nicht erinnern"Nach MIND GAMES der 2. Fall für die Londoner Privatermittler Augusta Bloom, Kriminalpsychologin, Profilerin und Marcus Jamerson, Exagent des MI6. Die Stimmung zwischen den beiden könnte nicht schlechter sein. Noch immer hängt der letzte Fall wie eine dunkle Wolke über ihnen... Marcus nimmt übel! Währenddessen passieren tragische Dinge in Plymouth auf der Militärbasis. Was als pompöser Militärball beginnt, endet abrupt mit der Detonation einer Bombe. Niemand scheint den Selbstmordattentäter wahrgenommen zu haben... Als sie Harry schließlich in einer weit entfernt liegenden Klinik finden,liegt er mit schwersten äußeren und inneren Kopfverletzungen ins künstliche Koma versetzt auf der Intensivstation. Karene ist überzeugt, dass ihm das nachträglich zugefügt wurde. Als der Captain aus dem Koma erwacht, fehlt ihm die Erinnerung an die letzten vier Jahre... Andrea Westerkamp
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Hanser 24,00€ |
Fatna Aydemir. " Dschinns"Ende der neunziger Jahre hat Hüseyin es endlich geschafft. Nach Jahrzehnten der Plackerei an deutschen Fließbändern, erst Metall, dann Kartonage, erfüllt er sich den Wunsch mit seiner Frau Emine in die Türkei zurückzugehen. Fast durchströmt ihn ein Glücksgefühl, als er die nagelneue, abbezahlte Wohnung in Istanbul durchschreitet. Morgen soll der Familie das harterarbeitete Eigentum vorgeführt werden. Die Autorin Aydemir widmet jedem Mitglied der Sippe ein eigenes Kapitel. Ein jeder beleuchtet aus seiner Sicht die Probleme, die von den Eltern vorgegeben, strikt unter dem Mantel der Verschwiegenheit gehalten werden. Sprichwörtlich unter den Teppich gekehrt, wird jede Wahrheit und Meinungsverschiedenheit abgewehrt. Dieser großartige Familienroman mit Migrationsproblematik wird in diesem Frühjahr mit Sicherheit eine hohe, wohlverdiente Aufmerksamkeit im Literaturbetrieb erhalten. Annette Matthaei
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Rowohlt 16,00€ |
Till Raether: "Danowski: Hausbruch"Der Hamburger Hauptkommissar Adam Danowski hat es wahrlich nicht leicht. Nachdem ihn ein Geiselnehmer in seiner Gewalt hatte, leidet er nachvollziehbarerweise unter posttraumatischen Belastungsstörungen und befindet sich aus diesem Grunde in einer Reha-Klinik an der Ostsee (man hat die Anstalt direkt vor Augen). Kur oder Therapie war die Frage, Danowski war auf keine dieser Varianten erpicht. Aber es gab nun mal kein Entkommen – er ist dienstunfähig geschrieben. Und so verbringt er jetzt seine Tage in Gruppensitzungen, bei Entspannungsübungen, Tanztherapie und Wassergymnastik, im Stuhlkreis mit mehr oder minder redseligen Leidensgenossen – alles schön mit Blick auf die See – er schließt seltsame Bekanntschaften und hockt ratlos in der Beschäftigungs-therapie vor einem Klumpen Ton. Das alles ist, ehrlich gesagt, nur mit Ironie zu ertragen, Danowskis trockener Humor hilft nicht nur ihm. Vor allem eine Frau nervt ihn: Mareike Teschner. Sie hat genau die positive Glas-halbvoll-Art, die Danowski nicht ertragen kann. Erst als er bemerkt, dass Mareike von ihrem Mann misshandelt wird, beginnt er ihr zuzuhören. Till Raether beweist einmal wieder, dass es keiner knallharten Action bedarf, um einen spannenden Krimi zu schreiben. Die geschützte Umgebung einer Kurklinik reicht deutlich aus, um in die Abgründe der menschlichen Psyche zu schauen. Und so verschwindet in einer Nacht- und Nebelaktion, der Strandhafer wiegt sich sanft im Winde, der Eine und das Andere, Leichen werden beseitigt, Spuren verwischt – auf Nimmerwiedersehen. Wirklich? Auf Nimmerwiedersehen? Kommissar Adam Danowski ist ein Polizist bis auf die Knochen. Er ist knochenehrlich, er ist seinem Job verschrieben, im Grunde genommen ist das seine Berufung. Und auf der anderen Seite ist er so sensibel, so tiefsinnig, er macht sich so relevante tiefe Gedanken über Alles und Jeden, das rundet seine Persönlichkeit ab, das macht ihn authentisch, das macht ihn sympathisch, seine Zerrissenheit verbunden mit seinem Pflichtgefühl – ein hochinteressanter Mensch. Nachsatz: Der Krimi heißt „Hausbruch“, und Hausbruch ist ein Stadtteil von Hamburg, und in diesem Stadtteil hat sich ein Ehepaar eine Immobilie zugelegt. Und das ist ganz schön wichtig in dieser Geschichte… Heike Kasten
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Droemer 20,00€ |
Matt Haig: "Der fürsorgliche Mr. Cave"Mr. Terence Cave ist Antiquitätenhändler in einer kleinen englischen Stadt. Er liebt es, in konzentrierter Versunkenheit, alte Möbel, Uhren, Figürchen zu reparieren und zu restaurieren. Sein Geschäft ist genauso, wie man sich einen solchen Laden vorstellt: ein Glöckchen bimmelt beim Öffnen der Türe, es duftet angenehm nach Staub und längst vergessenen Zeiten. Unterstützt wird Mr. Cave von seiner Schwiegermutter Cynthia, die ihm seit dem Tode seiner Frau, ihrer Tochter, immer wieder zu Hand geht. Während Byrony irgendwie, so scheint es zumindest, ihr Leben weiterlebt, dreht sich bei Mr. Cave die Traumaspirale. Terence hat das Gefühl, dass alle seine Lieben um ihn herum sterben, und er gibt sich die Schuld daran. Wie in einem langen Brief oder einem Tagebuch schildert er sein Leiden und sein immer stärker werdendes Bedürfnis, seine Tochter zu beschützen: vor dem Großwerden, vor Jungs, vor Alkohol, vor Erfahrungen, vor schlechtem Umgang – eigentlich vor allem. Und was zunächst wirkt, als würde ein wahrlich fürsorglicher Vater eine Menge Verantwortung übernehmen, entpuppt sich schnell und dramatisch als Zwangshandlung, als Obsession. Beklemmend ist es mit anzusehen, wie Bryony mehr und mehr von ihrem Vater kontrolliert wird. Die Geschichte ist sicherlich keine leichte Kost, doch Matt Haig schafft es über den ganzen Roman, die seelischen Nöte seiner Protagonisten auf der einen Seite klar zu formulieren, andererseits aber zart und einfühlsam, psychologisch fesselnd zu vermitteln. Heike Kasten |
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Hanser 23,00€ |
Percival Everett: "Erschütterung"Als Paläontologe gilt Zach Wells nicht nur bei seinen Kollegen als komischer Kauz. Das ficht ihn nicht an. Im Gegenteil, er benimmt sich wie ein Nerd und gefällt sich in dieser Rolle. Gleichberechtigung? Selbst ein Afroamerikaner, denkt Zach nicht im Traum daran, sich dafür einzusetzen. Percifal Everett, Finalist des Pulitzer-Preises 2021, hat einen zutiefst aufwühlenden Familienroman geschrieben, der mich auch sprachlich, trotz der Dramatik, ungeheuer in den Bann zog. Andrea Westerkamp
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Unsere Buchempfehlungen im Januar
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Penguin 22,00€ |
Jo Lendle: "Eine Art Familie"Jo Lendle, seit acht Jahren Verleger beim renommierten Hanser Verlag, begibt sich von Zeit zu Zeit auf das Parkett der Autoren und das ist sehr gut so. Auch in seinem neuen Roman erweist er brillante Erzählkunst und führt uns anhand seiner eigenen Familie durch das letzte Jahrhundert. Doch beginnen wir mit Alma. Alma wird im Alter von 11 Jahren zur Vollwaisen, nachdem ihre Mutter einen Brief erhält, in dem sie erfährt, dass ihr Mann in den letzten Tagen des ersten Weltkrieges gefallen ist. Im Schock kommt diese unter die Räder einer Berliner Straßenbahn, ist sofort tot. Alma wächst im Waisenhaus und bei Diakonissen unter harten Verhältnissen auf, bis ihr nur 4 Jahre älterer Patenonkel Ludwig sie in seinen Haushalt holt. Alma sagt in einem nachdenklichen, dunklem Moment: „Was sind wir denn? Drei eigenartige Menschen, von Zufällen zusammengewürfelt, ohne rechte Verbindung und ohne Zukunft. Drei Lebensläufe von denen man nur eines lernen kann: wie man ausstirbt.“ Ludwigs Antwort: „Wir sind eine Art Familie.“ Diese Art von Familie dürfen wir durch die Kaiserzeit, den Nationalsozialismus bis hin zur frühen DDR begleiten und das ist ein tiefes Eintauchen in Zwischenmenschlichkeit, Schuld und Zeitgeschehen. Annette Matthaei
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Scherz Verlag 22,00€ |
Tana French: "Der Sucher"Im neuen Roman von Tana French geht es um Cal, Polizist aus Chicago, der spürt, dass er mittlerweile die Leidenschaft und auch das Gespür für seinen Job verloren hat. Er ist ca. 50 Jahre alt und beschließt, seinem Leben eine ganz neue Wendung zu geben: Er kauft einen etwas runtergekommenen Kotten in einem kleinen irischen Dorf, sein Plan ist, das Haus so langsam für sich selbst herzurichten und ansonsten angeln zu gehen – sehr viel mehr bitte nicht. Aber soviel Gespür hat er als Ex-Polizist eben dann doch noch: Cal spürt, dass rgendjemand ständig um sein Grundstück herumschleicht… Das ist Tray, ein ca. 13 jähriger Teenager mit einem Problem: Tray erzählt, dass der älteste Sohn der Familie seit Wochen verschwunden ist und Tray schwört, nie im Leben wäre sein Bruder einfach so gegangen, ohne ihm eine Nachricht zu hinterlassen, völlig klar, dass da was passiert ist. Und Cal – ist doch schließlich ehemaliger Cop, der kann was rauskriegen. Ein toller, spannender Roman, sehr raffiniert, French ist wirklich eine echte Könnerin und bietet uns nach ca. einem Drittel einen Kniff, der – sehr vieles auf den Kopf stellt! Astrid Henning
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Ullstein 14,99€ |
Henrike Engel: "Die Hafenärztin"Hamburg, 1910. Trüb wabert der Dunst über die Hafenstadt zur Kaiserzeit. Anne, Helene und Rheydt, sie alle haben ihre Geheimnisse und auf unterschiedliche Weise geliebte Menschen verloren. Sie befinden sich in der Rekalibrierungsphase ihres Lebens, auf Sinnsuche. Wir fiebern ihrem Lebensglück genauso hinterher, wie der Festnahme eines gefährlichen Serienmörders – ein guter Ausgangspunkt für den Auftakt dieser wundervollen Reihe. Mattes Daugardt |
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Diogenes 22,00€ |
Marco Balzano: "Wenn ich wiederkomme"Daniela lebt mit ihrer Familie in Rumänien, ihr Mann und sie haben zwei Kinder, Angelica und Manuel. Doch die Zeiten sind schlecht, das Geld knapp und ihr Mann Filip verdient immer weniger – bis er schließlich gar keinen Job mehr hat. Ihre Familie ist vor den Kopf gestoßen, und was von Daniela nur als vorübergehender Zustand geplant war, solange bis sich zu Hause was ändern würde, wird über Jahre andauern. Zwar schickt sie nun regelmäßig Geld nach Hause, bei sporadischen Besuchen bringt sie begehrte Westartikel mit – aber der Familie wird sie fremd, und insbesondere der sensible Manuel fühlt sich von seiner Mutter im Stich gelassen, da helfen auch keine Video-Telefonate. Manuel beginnt Schule zu schwänzen, zusammen mit einem Freund versucht er sich in Sachen Alkohol und Drogen – er steigt in einem solchen Zustand auf das Motorrad des Freundes und verunglückt schwer. Dieser eindringliche Roman ist aus drei Perspektiven erzählt: Im ersten Drittel kommt Manuel zu Wort, hautnah erfahren wir so, wie es sich für ein Kind, für einen Jugendlichen anfühlen kann, mit einer abwesenden Mutter aufzuwachsen. Dann der Unfall und die Rückkehr Danielas, jetzt erzählt sie selbst. Und schließlich, im letzten Teil, sehen wir durch die Augen Angelicas, Tochter und Schwester. Diese unterschiedlichen Sichtweisen machen das Buch umso reizvoller, ganz klar eine Geschichte, die einem im Gedächtnis bleibt. Astrid Henning
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Rowohlt 22,00€ |
Kirsten Fuchs: "Mädchenmeuterei"„Wir sahen aus wie Dummgelaufen, Pechgehabt und Selberschuld. Schönescheiße war in der Nebenkabine eingesperrt.“ Ich sag’s Ihnen: Zum Piepen! Selten hat mich ein Buch auf intelligente und charmante Weise so grandios unterhalten. Wir – das sind vier Teenager-Mädchen: die Ich-Erzählerin Charlotte Nowak, Einzelkind mit Hund aus der Mittelschicht, eher unscheinbar und schüchtern, dafür ziemlich clever und sehr fantasievoll; Yvette, eine extrovertierte, extravagante Erscheinung aus extrem reichem Elternhaus, die gerne stänkert; Freigunda, eine junge, verwildert und verroht wirkende Frau der wenigen Worte, aber handfesten Taten, hineingeboren in eine Großfamilie, die wortwörtlich wie im Mittelalter lebt; und Antonia, das etwas naive, schutzbedürftige Nesthäkchen, kindlicher Moralapostel der Gruppe und stets um Harmonie bemüht. Kirsten Fuchs‘ Sprache ist messerscharf; jedes Wort, jeder Satz hat seine Bedeutung, ist präzise auf den Punkt gebracht. Ohne langweilige Ausschweifungen lässt die Autorin wissenswerte Fakten, beispielsweise zu den Themen Globalisierung, Containerschifffahrt und Tierschmuggel, einfließen, wird an so mancher Stelle philosophisch, wenn Charlotte teenagertypisch über die kleineren und größeren Fragen des Lebens sinniert, und unterhält (nicht nur junge Leser*innen!) mit sagenhaftem Wortwitz. Fast jeder Absatz hat mich zum Schmunzeln, zum Lachen und/ oder ins Grübeln gebracht. Nina Chaberny-Bleckwedel
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Aufbau TB 10,00€ |
Oyinkan Braithwaite: "Meine Schwester, die Serienmörderin"Als ihr Handy klingelt und der Name ihrer Schwester Ayoola auf dem Display steht, hat Korede ein ganz merkwürdiges Gefühl: bitte nicht schon wieder, denkt sie. Doch Menschen lassen sich nicht wirklich ändern – das gilt generell und ist besonders wahr im Fall von Serienmördern. Oyinnkan Braithwaite hat einen böse-witzigen Roman geschaffen, bei dem man nicht umhinkommt, düster zu gackern. Auf der einen Seite schlägt man sich bei Ayoolas „Schabernack“ die Hand vor die Stirn, aber auf der anderen Seite muss man sie auch wegen ihres praxisorientierten Aufbegehrens gegen das Patriarchat bewundern. Mattes Daugardt
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Aufbau Verlag 22,00€ |
Jakob Augstein: "Strömung"Aus der Verbindung eines katholischen Zahnarztes aus Südtirol und einer anderthalb Jahre in der DDR inhaftierten Republikflüchtigen entsteht ein Junge namens Franz Xaver Misslinger. Der kleine Franz wächst in behüteten Verhältnissen an der Flensburger Förde auf. „Ich will in den Himmel springen!“, soll der kleine, pummelige Kerl mit den großen Zielen schon früh ausgerufen haben. „Meine Damen und Herren, ich bin Franz Xaver Misslinger und ich sage immer, bei mir hört das Scheitern mit dem Namen auf!“ So beginnt Misslinger Jahre später so ziemlich jede Rede, die er auf Parteitagen oder vor großem Publikum hält; Lacher garantiert. Mittlerweile hat er Karriere bei einer liberalen Partei gemacht und ist von der Landesebene abgehoben, längst auf dem Berliner Parkett der Politik zu Hause. Nicht ganz unschuldig daran ist ein väterlicher Freund und Fürsprecher, die graue Eminenz der Partei. Der Preis für die schützende Hand: Misslinger muss zu jeder Tages- und Nachtzeit nach dessen Pfeife springen. Sehr zum Unmut seiner Frau Selma, die ihrem Ehemann vorwirft, seine Ideale verraten zu haben. Jacob Augstein liegt das Schreiben in den Genen, „beide“ Väter haben sich im Gedruckten einen großen Namen gemacht. Dieses Debüt ist tatsächlich bemerkenswert. Geschliffen geschrieben, perfekt gezeichnete Figuren, interessante Thematik und erhellend in Bezug auf Denkweise, Moral und Charakter so manch eines Politikers auf höherer Ebene. Super! Annette Matthaei
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Atlantik Verlag 21,00€ |
Emi Yagi: "Frau Shibatas geniale Idee"Kaffee kochen für Meetings an denen sie gar nicht teilnimmt, die Meetingräume in gutem Zustand halten, die Firmenpost verteilen und natürlich auch die Büroküche aufräumen und putzen – das sind die Aufgaben von Frau Shibata, der einzigen weiblichen Mitarbeiterin eines japanischen Großraumbüros. ZUSÄTZLICH zu ihrem eigentlichen Job, für den sie hochqualifiziert ist. Das reicht ihr jetzt aber gewaltig! „Tut mir leid, aber ich kann den Kaffee für Ihr heutiges Meeting nicht kochen“, sagt Frau Shibata. Warum das nicht? Na, weil sie schwanger ist, ganz einfach. Sie wissen schon, die Übelkeit im ersten Trimester und der starke Kaffeegeruch kombinieren sich gar nicht gut: so beginnt die Odysee einer Lüge. In japanischer Manier werden wir in jede Kleinigkeit von Frau Shibatas Alltag eingeführt. Welche Sorte an Joghurt sie unheimlich gerne verspeist interessiert nicht wirklich, aber jedes Kapitel kündigt eine neue Schwangerschaftswoche an und je länger wir Frau Shibata auf ihrer Reise in die Mutterschaft begleiten, desto aufregender ist jede Veränderung, die sie an sich und ihrem geregelten Leben vornimmt. Wir beobachten, wie aus der fleißigen Arbeiterbiene ein selbstdenkender Mensch wird, der mit allen Konventionen bricht und der Schwarmintelligenz entkommt, ohne dabei in Erklärungsnot zu geraten. Wer ausgefallene Spannungsbögen mit Witz und subtiler Klugheit mag, ist gut beraten sich in Frau Shibatas Netz aus Wahrheit und Lüge verstricken zu lassen. Mattes Daugardt
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Unsere Buchempfehlungen im November
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Galiani 25,00€ |
Bruno Preisendörfer: "Als Deutschland erstmals einig wurde"Zum vierten Mal dürfen wir mit Bruno Preisendörfer eine Zeitreise unternehmen: Nach Reisen in die Goethe-, Bach- und Lutherzeit kommen wir unserer Gegenwart ein Stückchen näher und reisen in die Bismarckzeit. Doch dann streifen wir wie schon in den drei Bänden zuvor mit Preisendörfer quer durch die Milieus und durch die unterschiedlichsten Lebensbereiche. Gespickt mit Zitaten und kleinen Passagen aus Romanen der Zeit (Fontane!), entsteht vor unseren Augen ein Panorama mit vielen Facetten. Wie immer bei Preisendörfer ist es nicht zwingend notwendig, das Buch in der angebotenen Reihenfolge zu lesen, auch lässt es sich wunderbar auf den Nachtisch legen, um immer mal wieder hineinzuschauen. Lesen, durch andere Augen sehen und dabei klüger werden: Was gibt es Besseres! Astrid Henning
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Ecco Verlag 22,00€ |
Eva Baronsky: "Die Stimme meiner Mutter"Der Roman von Eva Baronsky spielt zu weiten Teilen im Jahr 1959 an einem sehr speziellen Ort, nämlich auf der Yacht des damals reichsten Manns der Welt: Aristoteles Onassis. Die Person, um die es um Buch aber eigentlich geht, ist die berühmteste Sängerin des 20. Jahrhunderts: Maria Callas. Die Callas und ihr Ehemann Battista Meneghini sind eingeladen, auf der „Christina“ mit einer illustren Gästeschar drei Wochen durch’s Mittelmeer zu kreuzen. Mit an Bord u.a. Winston Churchill mit Frau, Tochter und Privatsekretär, aber natürlich auch Onassis selbst mit Ehefrau und seinen beiden Kindern. Maria Callas hat anstrengende Jahre hinter sich, ihr Ehemann und Manager hat ihr einen Auftritt nach dem anderen verordnet, oft, ohne ihrer Stimme ausreichend Zeit zur Erholung zu geben. Und während Maria Callas sich auf die Auszeit auf der luxuriösen Yacht freut, blickt der deutlich ältere Meneghini dem Aufenthalt missmutig entgegen. An Bord soll seine Laune noch sehr viel schlechter werden, denn vor seinen Augen und denen sämtlicher Gäste beginnen Onassis und Callas eine Liebesaffäre, die letztendlich zwei Scheidungen zur Folge haben wird. Thema dieses Romans ist aber nicht nur diese glamouröse Beziehung, die natürlich von der Öffentlichkeit und der Presse begierig beobachtet und kommentiert wird. Baronsky beschäftig sich ebenso mit der Persönlichkeit der Callas: Sie erzählt von der Lieblosigkeit ihrer Mutter, von der Härte und der Disziplin, mit der sich Maria Callas ihren Weg erkämpft hat. Zeit ihres Lebens hat sie um ihre Figur, um ihr Aussehen gekämpft, nachdem sie lange Jahre ein stark übergewichtiges und kurzsichtiges Mädchen war, dem niemand eine Karriere auf der Bühne zutraute. Astrid Henning
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btb 20,00€ |
Nina Lykke: "Alles wird gut"Elin ist um die 50 und arbeitet seit Jahren als Allgemeinmedizinerin in einer großen Praxisgemeinschaft im Herzen von Oslo. Die Patienten sind in den Jahren deutlich „ansprüchlicher“ und anstrengender geworden. Um Dampf und Frust abzulassen, hat Elin sich angewöhnt mit dem Skelett in ihrem Behandlungsraum Dialoge zu führen. Es ist schon bedenklich, wenn man sich mit einem Haufen Plastik namens Tore unterhalten muss, um über die Tage zu kommen. Das sieht sie genauso. Einen zweiten Weg zur Entspannung gibt es noch für sie. Allabendlich füllt sie Wein in ein Glas, groß wie ein Goldfischaquarium… Ein großartiges Buch: mit viel Humor geschrieben, langjährigen Ehen erbarmungslos auf den Pelz geguckt und ziemlich dicht am Leben dran. Die „Aftenposten“ vergleicht die Autorin dieses norwegischen Bestsellers mit einer modernen Jane Austen. Ich muss sagen, dass die Lektüre um einiges mehr Dampf hat, als die englische Beschaulichkeit der Jahrhundertwende… einfach klasse. Annette Matthaei
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Hanser Verlag 28,00€ |
Colm Tóibín : "Der Zauberer"Vielleicht ist es ganz gut, dass es kein deutscher Schriftsteller ist, der sich an diesen Titan der deutschen Literatur heranwagt. Nach Goethe wohl „der“ deutsche Autor, dessen Verhältnis zu seinem eigenen Land nie einfach war. Dieses Buch ist sowohl ein Genuss für Leser, die mit dem Werk Manns schon gut vertraut sind, es ist aber ebenso ein wundervoller Einstieg für alle, denen Thomas Mann und sein Werk bislang doch „eine Nummer zu groß“ erschien. Unbedingte Empfehlung! Astrid Henning
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Claassen Verlag 20,00€ |
Sally Rooney: "Schöne Welt, wo bist du"Ich habe ein grundlegendes Problem mit Sally Rooney: würde ich mir ihre Einkaufsliste durchlesen, ich würde mich einsperren und bitte nicht gestört werden; ich würde diese Einkaufsliste nicht lesen, sondern studieren – ich würde sie einatmen. Klingt versessen? Tja nun, das ist was Sally Rooneys Worte auslösen. Man fühlt ein Sally Rooney Buch eher, als dass man es liest. „Schöne Welt, wo bist du“ ist ein Roman über Menschen in ihren frischen Dreißigern, aber angesprochen fühlen wir uns alle: Alice und Eileen sind langjährige Freundinnen auf Sinnsuche. Wer hat nicht immer mal wieder das Gefühl den düstersten Nachrichten aus aller Welt zu trotzen, Bedeutendes tun zu müssen und nie trivial sein zu dürfen? In Zwischenkapiteln schreiben sich die Frauen aufgeschnappte Gedanken aus Büchern, Zusammenfassungen von Wikipedia-Artikeln, abstrakte Denkprozesse und dazwischen ein wenig aus ihren Leben, in einem Versuch die eigene Daseinsberechtigung zu hinterfragen. Rooney schafft es komplexe Emotionen präzise zu entschlüsseln, sodass man sich immer wieder ertappt, aber auch verstanden fühlt. Besonders spannend ist es bei ihrem neuesten Werk dadurch, dass man beim Lesen manchmal das Gefühl hat, Alice und Eileen wären alternative Versionen der Autorin. Mattes Daugardt
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btb 22,00€ |
Khue Pham: "Wo auch immer ihr seid"Kim ist dreißig Jahre alt und interessiert sich nur bedingt für ihre Vergangenheit. Als ihr Vater Minh 1968 zum Studium aus Vietnam nach Deutschland zog, rechneten die Verwandten nicht damit, dass er künftig seiner Heimat den Rücken kehren, und sich nur noch sporadisch für die Familie interessieren würde. Selbst die Auswanderung der Eltern und Geschwister nach Amerika vor vielen Jahren, fand wenig Beachtung bei Kim und ihrer Familie. Die Journalistin hat sich immer mal gewünscht, eine Deutsche zu sein, statt eine werden zu müssen! In dieser besonderen Familiengeschichte werden politische Aspekte ebenso beleuchtet und dargestellt, wie die Folgen der Auswanderer über mehrere Generationen. Ganz gleich ob TET-Offensive und Umerziehungslager, Fluchtversuche über Kambodscha oder Demos gegen den Vietnamkrieg, die Autorin beschreibt einfühlsam und sehr authentisch die Situation der damaligen Geschehnisse! Andrea Westerkamp |
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Dumont Verlag 20,00€ |
Judith Poznan: "Prima Aussicht"Judith übt Campingwagen-Kaufen. Also eigentlich will sie üben, aber nach nur 15 Minuten hat sie für 1.500,00€ tatsächlich einen vollkommen abgewrackten Wohnwagen erworben. An diesem Ding sind nur die Löcher an allen Ecken und Kanten Fakt. Und wenn sie ehrlich ist, kann der Kauf als klassische Übersprungshandlung betrachtet werden. Eigentlich möchte Judith viel lieber ein zweites Kind. Doch zu dieser Entscheidung gehören üblicherweise zwei. Und da liegt der Hase im Pfeffer. Bruno, ihr Freund mit den schönen braunen Augen, den wilden Wuschellocken und dummerweise der ausgeprägten Angststörung, vertröstet sie. Jetzt ist noch nicht die Zeit für ein weiteres Kind, obwohl der kleine, gemeinsame Sohn für beide ein echter Sonnenschein ist. Später vielleicht. Mit 35 Jahren kann für eine Frau da schon mal die biologische Uhr ticken… Nun beschließt Judith spießig zu werden. Von einer Freundin hört sie von einem Campingplatz im Brandenburgischen. Und dort, an dem lauschigen See, dürfen wir Zeuge werden von typischen Campingplatzbehausern. Die Männer überwiegend oben ohne, aber immer mit einem Werkzeug in der Hand. Die Frauen hilfsbereit, allwissend und Quinoasalat zubereitend für die gemeinsamen Grillfeiern. Wenn mich nicht alles täuscht, spiegelt die Autorin in diesem Buch einiges aus der eigenen Vita. Umso toller ist es, dass der frische Dumont Verlag diesen Roman entdeckt hat und es zur Veröffentlichung in diesem Sommer kam. Ein humorvolles und weises Lesevergnügen und eine echt Entdeckung!!! Annette Matthaei
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Insel Verlag 16,00€ |
Eva Stachniak: "Die letzte Tochter von Versailles"Was für ein herrlicher, dicker Schmöker für Urlaub oder gemütliche Herbstabende… Die Autorin Stachniak entführt uns in das Paris Mitte des 18.Jahrhunderts. Betrachtet man das Cover dieses Taschenbuches, wird man wegen Kitschwarnung zurückschrecken, doch hier muss ein Plädoyer eingelegt werden. Sprachlich völlig korrekt und auch solide, angelehnt an die Historie, begleitet man mit viel Lesevergnügen die Figuren durch ein aufregendes Jahrhundert bis in die französische Revolution hinein. Annette Matthaei
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Kindler Verlag 22,00€ |
Nicolas Barreau: "Die Zeit der Kirschen"Nicolas Barreau hat erneut einen wunderbaren kurzweiligen Liebesroman verfasst, den man am besten mit „Ich wünschte, dieser Roman möge niemals enden“ beschreiben kann. Für den Autor und Lektor Andrè ist ein Traum in Erfüllung gegangen: Seit einem Jahr sind er und die Köchin Aurélie ein Paar. Nun möchte er den nächsten Schritt gehen und ihr einen Heiratsantrag machen. Einige Male schon musste er diesen Plan verschieben, aber der Valentinstag erscheint ihm als der beste Zeitpunkt, kann ein Datum romantischer sein? Geradezu akribisch plant er die Details: nach der Buchpremiere seines zweiten Romans, bei der er auch erstmalig als Autor in Erscheinung tritt, möchte er Aurélie fragen. Können Aurèlie und Andrè ihre Missverständnisse und verletzte Eitelkeiten hinter sich lassen, oder kommt es zum Neuanfang mit anderen Partnern? Da gibt es nämlich noch eine ebenso charmante wie gutaussehende Buchhändlerin, die auf Andrè durchaus nicht reizlos wirkt… Heike Kasten
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Arche Verlag 22,00€ |
Andreas Moster: "Kleine Paläste"Dieser Moment der Stille, wenn alles platzt – ein Moment, gefangen in der Zeit, durch den wir das Verborgene entdecken und jede einzelne Scherbe, jeden Riss in der Fassade betrachten dürfen. Was für eine literarische Wucht dieses wunderbare Cover ankündigt und dieses Versprechen auch noch hält. „Kleine Paläste“ ist ein Familienroman und ein feinsinniges Porträt des verbohrten Spießbürgertums. Hanno Holtz ist ihr vor mehr als dreißig Jahren entflohen, doch nun kehrt er zurück in die familiäre Kleinstadt, um seinen Vater zu pflegen. Seine Mutter ist just eines skurrilen Todes gestorben und es sind oft diese Momente, die den Roman so richtig leuchten lassen: Momente die böse-traurig, aber auch humoristisch, so wahrhaft eingefangen und meisterhaft gedreht werden. In diesem Roman ziehen die Geister der Erinnerung an den Fäden, die alles zusammenhalten. Mit Andreas Moster führt der Arche Verlag große Erzählkunst vor, die zurecht vom Hamburger Literaturpreis mit der Auszeichnung „Buch des Jahres“ gekürt wurde. Ein Kompositum an monumental erscheinenden Kleinigkeiten, ungewöhnlichen Perspektiven und großem Einfühlungsvermögen. Muss man gelesen haben. Mattes Daugardt
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Fischer TB 15,99€ |
Arno Strobel: "Sharing - Willst Du wirklich alles teilen?"Aus Überzeugung haben Markus und Bettina ein Sharing-Unternehmen gegründet, das Autos und Wohnungen zur gemeinsamen Nutzung zur Verfügung stellt: ökologisch, ökonomisch, nachhaltig und gemeinwohlorientiert! Das Konzept wird erfolgreich angenommen, das Ehepaar vereint Beruf und Privatleben bestens, gerade die gemeinsamen Interessen verbinden die beiden. Der perfide Wettkampf, dem er nicht ausweichen kann, ist gnadenlos und nicht verhandelbar. Ein in jeder Hinsicht quälender Countdown beginnt… Heike Kasten
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Dumont Verlag 22,00€ |
Mieko Kawakami: "Heaven"Eines Tages entdeckt der namenlose Ich-Erzähler in seinem Federmäppchen ein beschriebenes Stück Papier. Es stehen nur fünf Worte darauf: „Wir gehören zur selben Sorte.“ Von wem stammt die Nachricht? Bald folgen weitere Zettel, unauffällig unter die Tischplatte geklebt, an der Tür des Schulspinds verborgen. Fragen stehen darauf, harmlose, wohin er gerne einmal verreisen würde? Was er während des letzten Regens gemacht habe? Und irgendwann eine knappe Aufforderung zu einem Treffen mit einer kleinen Skizze. Der Ich-Erzähler und Kojima leben in einer Gesellschaft von Gleichen, die jedes Anderssein sofort bemerkt. Beide haben etwas an sich, das sie tatsächlich von den anderen unterscheidet. Trotzdem scheint es dem Leser, als sei ihre Auswahl willkürlich, als könne es auch jeden beliebig anderen Schüler treffen. Gerechtigkeit und Lösungen sucht man in Kawakamis Roman vergebens; es geht ums blanke Überleben, ums Erdulden, ums Überstehen; darum, irgendwie durch die Schule, den Tag und letztlich die Jugend zu kommen. Die Jugendlichen versuchen ihr Schicksal zu verstehen, zu erklären und anzunehmen. Sie sehen die Schwäche derer, die nur zusehen; die Schwäche ihrer Peiniger, die die Not anderer brauchen, um sich selbst an ihr zu erhöhen. Sie sehen auch ihre eigene Schwäche, doch diese ist anders: „Wir sind vielleicht schwach, aber unsere Schwäche hat einen Sinn. Wir wissen. Wir wissen, was wichtig und was nicht richtig ist. […] Die Einzigen in unserer Klasse, die wirklich unabhängig sind, sind du und ich. Sonst niemand.“ Die beiden Jugendlichen fliehen in die Parallelwelt ihrer Freundschaft, um einen letzten Rest Würde zu behalten, auch wenn ihre Peiniger in der „zweiten Realität“ mit allen Mitteln versuchen, diese Würde zu zerstören und sie mit Füßen treten. Doch durch einen letzten, besonders brutalen Angriff wird dem Ich-Erzähler diese Möglichkeit des Ertragens auch noch genommen. Zu viel willkürlich ausgeübte Gewalt beraubt ihn schließlich seines Glaubens, dass irgendein höherer Sinn hinter allem stecken könnte. Sabine Christ
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rororo 11,00€ |
Sven Stricker: "Sörensen am Ende der Welt"Normalerweise bin ich kein Freund der Krimivorstellung, dritter, vierter, fünfter Band… Bei Sörensen aber werde ich schwach, da muss ich eine Ausnahme machen. Den Kommissar hinterm Deich von Katenbüll hoch im friesischen Norden kann und will ich Ihnen auch bei seinem dritten Fall nicht vorenthalten, weil er einfach zu gut ist. Sörensen wächst hier kurz vor Ostern so ziemlich alles über den Kopf. Der Tankstellenbesitzer Töns Gregersen aus Katenbüll hat eine männliche Leiche aus dem Teich im Koog gefischt. Am Morgen beim Gassigang, ganz verstört ist der immer noch… Und seit der Nacht ist Ole spurlos verschwunden, Aushilfe in der Tanke, Musiker mit Rastalocken, Bekannter von Sörensen und zudem bald der Vater von Jenni Holstenbecks Enkel. Nicht in einer Zeile ist dieser neue Fall ein Abklatsch der anderen, im Gegenteil, ordentlich spannend. Und dieser schrullige, in gewisser Weise geradezu philosophisch angehauchte Menschenkenner Sörensen wird mir von Mal zu Mal vertrauter und das Abschiednehmen bis zum nächsten Fall schwerer. Annette Matthaei |
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John Marrs: "The Watchers"Wertvoller als Gold, begehrter als funkelnde Edelsteine sind ja heutzutage Daten und Informationen. Leicht zu beschaffen, haben wir doch alle durch digitale Verbandelungen unsere Privatsphäre quasi in den Mond geschossen. Für Hacker stellt es kein Problem dar, eigentlich geheime Daten und Sicherheitslücken auszuspionieren, brisante Files abzugreifen und ihrer jeweiligen Behörde, die wiederum einer jeweiligen Regierung untersteht, Vorteile jeglicher Art zu beschaffen. Da schweben Informationen im virtuellen Raum, die ganze Nationen ins Chaos stürzen könnten. Wie kann man es diesen Daten-Dieben so schwer wie möglich machen? Der rasante, nicht künstlich mit Fachbegriffen aufgeblasene Schreibstil, der rasante Wechsel von Figur zu Figur halten in Atem und bei der Stange. Einzelschicksale, menschliche Abgründe und politisches Kalkül treffen aufeinander – und zeigen, wie grandios ein auf dem Papier entstandener Plan dann doch scheitern kann. Dieser brisante Thriller ist vielleicht näher am Puls der Zeit, als uns lieb sein mag.
Heike Kasten |
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Blanvalet Verlag 20,00€ |
Paula Hawkins: "Wer das Feuer entfacht"Mit GIRL ON THE TRAIN gelang Mrs.Hawkins vor einigen Jahren ein großartiger Einstieg in die Thrillerszene, seither "liefert" sie zuverlässig regelmäßig neue, spannende Krimis. Ihr aktuelles Buch spielt u.a. auf einem Hausboot in London. Während die frustrierte und vom Leben nicht unbedingt verwöhnte Miriam aus dem Bullauge ihres Hausboots starrt, verlässt plötzlich eine junge, blutbesudelte Frau panikartig das Boot ihres Nachbarn Daniel. Der junge Mann hatte nächtlichen Besuch, und nun liegt er blutüberströmt und mausetot (das passiert, wenn man sich die Kehle durchschneiden lässt) in seiner Kajüte. Während die Polizei nach der verschwundenen Frau sucht, scheint auch Miriam durchaus unter Tatverdacht zu geraten. Immerhin wird ihre DNA am Tatort gefunden, und ein Motiv scheint sie auch zu haben... Eine weitere Verdächtige fehlt uns noch: Carla Meyerson, die Tante des Verblichenen, hatte ein ganz spezielles Verhältnis zu ihrem Neffen. Und so rätseln wir Leser gemeinsam mit der Polizei, während sich die nächste Katastrophe bereits anbahnt... Andrea Westerkamp
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Ruetten und Loening 20,00€ |
Kristin Hannah: "Die vier Winde"Texas 1921 Die kleine Elsa wächst wohlbehütet, aber streng abgeschottet auf. Nach einer Fehldiagnose wird ihr eine äußerst schwache Konstitution bescheinigt. Das führt zu einem Leben ohne jegliche Abwechslung, oder gar soziale Kontakte. Im Alter von 25 Jahren bricht sie aus und wagt einen Alleingang in die Stadt.... Raf, der junge, hübsche Sohn italienischer Einwanderer verdreht Elsa den Kopf, und nicht nur den... Als Elsa schwanger wird, zwingt ihr Vater sie zur Heirat und enterbt sie. Nie wieder wird sie ihre Eltern sehen! Fortan wird aus dem kränklich zarten Mädchen eine immer stärkere Frau, die sich in den Haushalt ihrer Schwiegereltern einfügt und arbeitet, wie nie zuvor in ihrem Leben. Die Schilderungen der damaligen Verhältnisse um die Dürrekatastrophe und die daraus resultierenden Folgen, machen diesen Roman zusätzlich zu etwas Besonderem! Andrea Westerkamp
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Unsere Buchempfehlungen im Oktober
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Piper 22,00€ |
Edgar Rai: "Ascona"Dieser Roman entwickelt besondere Faszination, wenn man ihn im Zusammenhang mit Colm Tóibíns Roman „Der Zauberer“ über Thomas Mann liest, zwei unterschiedlichere Persönlichkeiten in der Literatur lassen sich kaum denken. Doch beginnen wir mit den Gemeinsamkeiten: Beide Autoren werden von den Nazis geächtet, ihre Bücher verbrannt. Beide emigrieren Anfang der 30er in die Schweiz, beide waren bereits sehr erfolgreich, so dass zumindest materiell keine existentielle Sorge besteht. Remarque hatte sich Anfang 1931 eine Villa am Lago Maggiore gekauft und seinen Hauptwohnsitz in die Schweiz verlegt. Einen Tag nach Hitlers Machtübernahme am 30. Januar 1933, zieht er endgültig nach Ascona. Edgar Rai beschreibt in seinem Roman die Verzweiflung über die Heimatlosigkeit, die Suche nach einem sicheren Hafen auch für Angehörige und liebe Freunde. Natürlich gehören auch Liebschaften dazu, hier u.a. die Leidenschaft Remarques für Marlene Dietrich, die fast an eine Art Hörigkeit grenzt. Astrid Henning
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Rowohlt 22,00€ |
Christoffer Carlsson: "Unter dem Sturm"Südschweden, ein kleines Kaff namens Märbäck, 1995 Hier ereignet sich in einer Herbstnacht ein unfassbares Unglück. Der Hof der Familie Markström brennt bis auf die Grundmauern nieder. Mitten im Inferno wird die Leiche der Tochter des Hauses, der hübschen Lovisa gefunden. Zur Zeit des grauenvollen Ereignisses war Lovisa mit Edvard liiert. Für Isak bricht eine Welt zusammen, der Siebenjährige liebt seinen Onkel abgöttisch. So ist er es, der mit ihm angeln geht, seine Hand hält, wenn er sich vor etwas fürchtet und immer ein offenes, verständnisvolles Ohr für seinen Neffen hat. Nun ist sein Onkel zu ebenslanger Haft verurteilt, sitzt im Gefängnis und beteuert seine Unschuld. Zehn Jahre später: Isak ist zu einem wankelmütigen, aufbrausenden und depressiven Jugendlichen herangewachsen. Der Kontakt zu seinem Onkel wurde von der Familie komplett abgebrochen, aber er muss noch oft an ihn denken, zumal ihn der Gedanke quält, seinem Onkel charakterlich ähnlich zu sein. Wird er geärgert, kommt es zu einem Punkt, an dem er nur noch rot sieht und unbarmherzig zuschlägt. Noch einen Zeitsprung von zehn Jahren wird es in diesem packenden Krimi von Christoffer Carlsson geben und die Welt wird eine andere sein. Annette Matthaei
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S. Fischer 23,00€ |
Julia Franck: "Welten auseinander"Vor knapp 15 Jahren gewann Julia Franck mit der „Mittagsfrau“ den Deutschen Buchpreis. Jetzt hat die Autorin nach längerer Roman-Pause ein neues Buch vorgelegt, ein Buch, das mich sehr begeistert hat. Und auch wenn „Welten auseinander“ ein Roman ist, so ist dieses Buch doch gleichzeitig ein intensives, autobiographisches Stück Erinnerung an Julia Francks Kindheit und Jugend. 1978 wird der dritte Ausreiseantrag der Mutter genehmigt, zusammen mit ihren vier Töchtern darf die Schauspielerin aus Ost-Berlin in den Westen reisen. Nach einem Aufenthalt im Auffanglager zieht die Familie in ein kleines Dorf in Schleswig-Holstein und bewohnt dort einen runtergekommenen Hof. Während die Mutter sich dort völlig ihren eigenen Belangen widmet, zu einer Mischung aus Hippie und Messie mutiert, sind die Kinder auf sich allein gestellt, da bekommt „alleinerziehend“ nochmal eine ganz besondere Bedeutung. Julia und ihre Zwillingsschwester sind zu diesem Zeitpunkt ca. acht Jahre, und doch beginnen sie, für sich selbst zu kochen, sich selbst Kleidung zu nähen, weil die alten Klamotten auseinanderfallen, den Schulalltag irgendwie zu regeln und nebenbei auch noch die Mutter über Wasser zu halten. Nach fünf Jahren hält Julia es nicht mehr aus und setzt durch, dass sie zu ihrer Tante nach West-Berlin ziehen darf, im damals noch geteilten Deutschland. Ich wünsche diesem offenen und mutigem Buch alles erdenklich Gute und jede Menge LeserInnen. Astrid Henning
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Insel Verlag 23,00€ |
Nguyen Phan Qué Mai: "Der Gesang der Berge"Hanoi in den 70ern Die Folgen des Vietnamkrieges sind noch spür- und sichtbar. Eine unglaublich fesselnde Familiengeschichte, die ich unbedingt(!) empfehlen möchte. Andrea Westerkamp
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Kein & Aber 22,00€ |
Marion Karausche: "Der leere Platz"„Eine Mutter kann nur so glücklich sein, wie ihr unglücklichstes Kind“ (Sarah Blaffer Hrdy) Marlen schätzt sich glücklich. Sie ist stolz auf ihre Familie und ihr Leben, mit sich im Einklang. Als sie Martin vor mehr als 25 Jahren kennenlernte, war ihr klar, dass sie mit der Heirat ihren erfüllenden Beruf als MTA aufgeben und ihm auf Grund seines Jobs nach Marokko folgen würde. In Rabat leben sie nun schon lange im Privilegiertenviertel in einer großen Villa mit Blick auf das Meer. Die Eheleute gelten im Freundeskreis als das absolute Traumpaar. Marlen widmet sich ganz und gar dem Familienleben. Erst wird der ruhige, sanfte Kai geboren. Große Augen, dunkle Locken, ein stilles, angenehmes Kind. Ein paar Jahre später folgt die etwas anstrengendere, wilde Amy. Schon bevor er abreist, beschleicht Marlen ein ungutes Gefühl. Ihr Sohn ist zögerlich, verschlossen, tut sich schwer mit Entscheidungen. Auch ihr fällt es nicht leicht, eines ihrer Küken ziehen zu lassen. Es scheint ein neuer Entwicklungsschritt zu sein. Dass die Nachrichten aus Europa aber nun sehr spärlich ausfallen und später ganz ausbleiben, versetzt die Eltern verständlicherweise in höchste Unruhe. Die Freunde von Kai kehren nach Rabat zurück, um ihre Ausbildungen zu beginnen. Er hingegen lässt ausrichten, dass er noch auf der Suche nach sich selbst sei und vorerst in Portugal bleiben würde. Die nächsten Nachrichten kommen nach Wochen aus Peru. Kai hat sich Schamanen in der Wildnis angeschlossen. Was nun passiert ist eine Abfolge von Ereignissen, die die Belastung einer Mutter um ein Weites übersteigen. Ein Anruf: der Sohn sei in eine geschlossene psychiatrische Klinik eingeliefert worden. Marlen eilt zu ihm, findet ihr Kind apathisch, komplett unter Medikamenten stehend vor. Sein Auto hat er angezündet, spricht stockend von Stimmen und Verfolgern. Die Diagnose Schizophrenie haut die Eltern um. Marlen ist erfüllt von Schmerz und Verzweiflung. Martin reist allein zurück nach Rabat, sie bleibt bei ihrem Sohn in Deutschland. Die Eltern haben schlagartig ihre Bindung verloren und verlieren sich jeder auf seine Art in ihrer Einsamkeit. Mit einer unglaublichen Intensität erzählt die Autorin die Geschichte einer Mutter, die sich selbst aufgibt, nichts unversucht lässt, um ihr Kind zu retten, aber wohl einen aussichtslosen Kampf kämpft. Hilflosigkeit, Ohnmacht, Unsicherheit, all das sind die Gefühle, die sicherlich die meisten Eltern erleben, deren Kinder psychisch schwer erkranken. Was für ein beklemmender und beeindruckender Roman und dazu noch ein Debüt!!! Auch nach der letzten Seite hat mich dieses hervorragende Buch lange nicht losgelassen. Annette Matthaei
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KiWi 25,00€ |
Dave Eggers: "Every"Der „Circle“ ist Vergangenheit: Das (Digital-)Unternehmen hat die Konkurrenz aufgekauft, u.a. auch einen weltweit agierenden Online-Versand namens dschungel, und nennt sich nun „Every“. Delaney Wells, Hauptfigur der Geschichte, steht der zunehmenden Komplettdigitalisierung der Welt kritisch gegenüber und befürchtet eine soziale Kontrollübernahme. Innerlich sympathisiert sie mit den Digitalverweigerern, den sog. Trogs, die man sich wie Alt-Hippies vorstellen muss, deren städtischer Lebensraum immer weiter eingeschränkt wird und die sich unbewacht und unbeobachtet nur noch an wenigen Orten aufhalten können. Was die technische, die digitale Seite der Geschichte betrifft, ist Dave Eggers der Zukunft, auch hier in der Satire, nicht weit voraus. Praktisch alle beschriebenen Anwendungen gibt es dieser oder ähnlicher Weise oder sind zumindest möglich – wir alle kennen sie. Die gesellschaftlichen Implikationen hingegen, die eine so umfassende Marktmacht eines einzigen Digitalkonzerns mit sich bringen kann, wird ein wenig übersteigert vorgeführt. Oder? Heike Kasten
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KiWi 20,00€ |
Alina Bronsky: "Barbara stirbt nicht"Barbara und Walter Schmidt führen eine, sagen wir mal, traditionelle, eingefahrene Ehe mit sehr, sehr klassischen Rollenmustern. Seit 52 Jahren sind die beiden verheiratet, da kennt man sich. „Barbara stirbt nicht“ ist ein mitunter ein wenig bösartiger Entwicklungsroman, einer über eine Transformation, über gestörte Familienverhältnisse und über große Familiengeheimnisse. Am Ende der Geschichte erkennt Herr Schmidt, dass er auch ein ganz anderer sein könnte – und er fängt endlich damit an. Rührend, warmherzig und auch ein bisschen witzig, obgleich die Thematik keine heitere ist, steuert der Roman einem Ende zu, dass die Figuren noch einmal schärft und ihnen Tiefe verleiht. Heike Kasten
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Suhrkamp 19,95€ |
Kathleen Kent: "Die Tote mir der roten Strähne"Detective Betty Rhyzyk wechselte erst vor kurzem von New York City zum Dallas Police Department. Ihre neuen Kollegen staunen gewaltig über die taffe große Frau mit den flammend roten Haaren (nebenbei bemerkt: was für ein tolles Cover). Gleich der erste Einsatz hat es in sich. Ähnlich wie in einem amerikanischen Actionfilm erleben wir die Eskalation eines scheinbar gut geplanten Polizeieinsatzes. El Gitano Ruiz, mexikanischer Drogendealer und brutaler Bandenchef, entkommt, Bettys Kollege wird tödlich getroffen, und auch eine Passantin verliert ihr Leben. Die Stimmung im Department ist unterirdisch und Betty spürt teilweise deutliche Ablehnung gegen ihre Person. Als sie ein paar Tage später morgens vom Joggen zurückkehrt, liegt auf ihrer Bettdecke ein kleines Souvenir... Offensichtlich wird sie gestalkt, denn von Jackie, ihrer Lebenspartnerin, stammt das Päckchen nicht! Immer temporeicher und heftiger, um nicht zu schreiben blutiger wird der Thriller, aber Atempausen gibt es immer wieder durch Wortwitz und private Intermezzi. Ich freue mich definitiv auf Bettys nächsten Fall!!! Andrea Westerkamp
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Unsere Buchempfehlungen im September |
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KiWi 16,00€ |
Yassin Musharbash: "Russische Botschaften"In diesem Thriller kann man kaum noch sagen, was Fiktion ist und was Realität. Auf jeder Seite merkt man, dass der Autor selbst Journalist ist und jeden Tag mit brisanten Nachrichten konfrontiert ist, aus Quellen, von denen man nicht immer weiß: sind sie verlässlich? Oder steckt Manipulation dahinter? Merle Schwab ist eine junge, ehrgeizige Journalistin beim Globus, einem Polit-Magazin, das in Berlin erscheint, vergleichbar vielleicht dem SPIEGEL. Sie ist zufällig hautnah dabei, als ein junger Russe von einem Balkon stürzt und dabei umkommt. Selbstmord? Unfall? Mord? Wie sich bei Merles Recherche herausstellt, war der junge Mann für den russischen Geheimdienst tätig, mehr noch: Er scheint ein Doppelagent gewesen zu sein, denn auch der deutsche Verfassungsschutz führt ihn als V-Mann. Merle ahnt, dass hinter dieser Geschichte noch mehr stecken könnte, eine perfekte Gelegenheit, sich beim Globus zu profilieren. Doch schnell stellt sie fest, dass diese Angelegenheit größere Kreise ziehen wird, ein Informant lässt ihr eine Liste zukommen, auf der Personen gelistet sind, die Zuwendungen vom russischen Geheimdienst erhalten haben, teilweise in beträchtlicher Höhe. Politiker sind darunter, Geschäftsleute, renommierte Journalisten – sogar die Inhaberin des Globus‘. Dieser Polit-Thriller führt tief hinein in verschiedenste Geheimdienste, in Fake-News, ins Darknet und andere technische Finessen. Sehr, sehr spannend zu lesen und möglicherweise beklemmend aktuell. Astrid Henning
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KiWi 15,00€ |
Judith Merchant: "Schweig!"Dass in Familien nicht immer Harmonie herrscht, ist eine Binsenweisheit, und dass dies vor und an Weihnachten verschärft gilt, weiß auch jeder. Der Kreis der Liebsten erweitert sich plötzlich um Verwandtschaft, zu der man den Rest des Jahres vielleicht aus gutem Grund etwas Abstand hält. „Schweig!“ ist ein Thriller, der sich mit genau diesem Thema beschäftigt, heiklerweise am 23. Dezember, einem Tag, an dem jede und jeder noch wahnsinnig viel erledigen will, zumal wenn kleine Kinder im Spiel sind. Drei Menschen, drei Perspektiven, und das Verrückte ist: Wessen Sicht man gerade liest, dem glaubt man. Judith Merchant ist eine Meisterin der Täuschung, der vermeintlichen Sicherheit, in der sie uns wiegt, endlich wissen wir, wie der Hase läuft, bis…? Astrid Henning
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Heyne Verlag 22,00€ |
Steffen Jacobsen: "Schach mit dem Tod"USA Los Alamos 1945 David Adler ist Elektroingenieur. Als er nach beschwerlicher Reise in Los Alamos ankommt, spürt er sofort die knisternde Spannung, die im gesamten Camp herrscht.Das Manhattan-Projekt vereint die aktuell größten Forscher der Welt und David ist sich schnell der Tragweite dessen bewusst. Sie alle arbeiten an der Entwicklung der Atombombe... Wir alle haben von den Versuchen, Erfolgen und Misserfolgen um die Entstehung der Atombomben gehört oder gelesen. Für mich war es überaus spannend, nun aus der Sicht der Zeitzeugen quasi direkt im Camp zu "wohnen" und alles "live" mit zu erleben! Andrea Westerkamp
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Harper Collins 22,00€ |
Tara Conklin: "Die letzten Romantiker"Welch eine Familiengeschichte! Bexley Frühjahr 1981 So dicht und intensiv beschreibt uns die Autorin die einzelnen Schicksale der mittlerweile Erwachsenen, dass ich mich dem Sog nicht entziehen konnte. Andrea Westerkamp
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Kein & Aber 24,00€ |
Bryan Washington: "Dinge, an die wir nich glauben"Dies ist kein Liebesroman, sondern ein Lebensroman über zwei junge Männer, die sich nicht sicher sind, was Zuhause bedeutet oder ob es das überhaupt gibt. Mike ist ein Koch mit japanischen Wurzeln, der in einem mexikanischen Restaurant arbeitet, Ben ist Kindergärtner und Schwarz. Seit vier Jahren leben sie schon zusammen und sind sich so vertraut, wie sie sich fremd sind – die Liebe ist abgekühlt, die Streitereien hitzig, der letzte Ausweg oft Sex. In der Nacht bevor Mikes Mutter Mitsuko zu Besuch kommt, gesteht Mike Ben, dass er nach Japan reisen wird um seinen todkranken Vater zu pflegen. Dieser hatte ihn und seine Mutter vor Jahren verlassen, doch Mike kann sich seiner Verantwortung nicht entziehen, sie nicht einmal hinterfragen. In seinem Romandebüt, beweist Bryan Washington, dass er ein großartiger Schriftsteller ist, von dem wir noch viel erwarten dürfen. Voller Leichtigkeit und teils amüsant, fasst er große und aktuelle Themen mit geschulten, erzählerischen Fingern an: spricht wie nebenbei über Rassismus, Homophobie, Sucht und Armut, ohne dabei aus den Augen zu verlieren, was seine schlagfertigen Protagonisten antreibt. Sein Schreibstil ist geprägt von einer lockeren edginess und der Fähigkeit, dem Alltäglichen einen besonderen Glanz zu verleihen. Ein Roman, modern und doch nahbar, der anders ist ohne fremd zu sein. Mattes Daugardt
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Heyne Verlag 22,00€ |
Mary Lawson: "Im letzten Licht des Herbstes"Die idyllische Kleinstadt Solace steht seit Tagen unter Schock: Die knapp 16-jährige Rose wird vermisst, noch ist völlig unklar, ob es sich um ein Verbrechen handelt, oder ob Rose, sehr eigensinnig und unangepasst, ihr zu Hause ganz bewusst verlassen hat. Ihre siebenjährige Schwester Clare jedenfalls ist extrem bedrückt. Seit Roses Verschwinden steht sie am Fenster, isst am Fenster, „lebt“ am Fenster, um zu beobachten, ob ihre Schwester wieder auftaucht. Clare merkt, dass ihre Eltern nicht offen mit ihr sprechen, sie wollen sie schützen, erreichen aber mit ihrem Rumgedruckse und vermeintlich harmloser Miene geradezu das Gegenteil. In drei Menschen schlüpfen wir geradezu in diesem Roman: Clare spielt die größte Rolle, ihr Innenleben beschreibt Mary Lawson wirklich außerordentlich gekonnt, ganz nah sind wir bei ihr, spüren ihre Nöte, ihre Phantasien („Wenn ich immer an diesem Fenster stehen bleibe, kommt Rose ganz bald zurück“, „wenn ich genau x-Schritte zur Schule brauche, kommt Rose zurück“). Mit Mrs Orchard sind wir im Krankenhaus und blicken auf ihr Leben zurück, auf das liebevolle Verhältnis zu ihrem Mann, auf das große Thema in ihrem Leben – die ungewollte Kinderlosigkeit. Und der Fremde im Haus von Mrs. Orchard? Das ist Liam, der als kleiner Junge bei den Orchards ein und aus ging, der für Mrs Orchard zum Ersatz-Sohn wurde, und dem sie bereits jetzt schon ihr Haus vermacht hat. Ein Roman, der feinfühlig die unterschiedlichsten Charaktere einfängt, der jederzeit die Spannung hält und uns wirklich perfekt zu Mitbewohnerinnen von Solace werden lässt. Astrid Henning
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btb 20,00€ |
Til Raether: "Treue Seelen"Viele von uns kennen Till Raether als stellvertretenden Chefredakteur der BRIGITTE. Heute lebt er in Berlin und arbeitet als freier Journalist unter anderem für das SZ Magazin, hat sich aber auch als Krimiautor einen Namen gemacht. Nun ist ein absolut gelungener Roman erschienen. Achim und Barbara sind vom piefigen Bonn nach Westberlin gezogen. Sie kommt als Dauerdoktorandin nicht so recht vom Fleck, die Gänge in die Uni werden immer seltener. Achim ist eigentlich ganz zufrieden mit seinem Job. Bei der BAM ist er untergekommen. Mit BAM assoziiert man Bumm und damit liegt man auch nicht ganz falsch. Als Laborant in der Bundesanstalt für Materialprüfung hat Achim es hauptsächlich mit der Kontrolle von Feuerwerkskörpern zu tun. Nicht nur das Stagnieren ihres beruflichen Werdeganges lässt Barbara zunehmend in eine Depression versinken, nein, besonders die Angst über die Folgen der Nuklearkatastrophe in Tschernobyl in diesem Frühsommer 1986 lähmt sie komplett und so hockt sie zwischen Umzugskisten und verlässt kaum noch die nicht eingerichtete Wohnung in einem Wohnblock in Berlin Zehlendorf. Dunkelheit, Muff, Schweigen. Einen lustigen, schnodderigen Seitensprungsroman mit viel Berlinfeeling hat Herr Raether da geschaffen und mehrfach habe ich geschmunzelt, sogar gelacht. Aber zwischen den Zeilen bleibt da doch eine Nachdenklichkeit und Trauer hängen, wenn klar wird, wie viele Familien unter dem Leben im geteilten Deutschland leiden mussten und wie sehr es die Menschen zum Teil unwiederbringlich entzweit hat. Von Oberflächlichkeit keine Spur, trotzdem ein amüsant geschriebenes Stück Zeitgeschichte. Annette Matthaei
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atb 12,99€ |
Ella Carey: "Die Frauen von New York - Glanz der Freiheit"New York im Jahr 1942. Die ambitionierte, aus wohlhabenden Verhältnissen stammende junge Lily Rose hat sich gegen alle Widerstände durchgesetzt und arbeitet für Giorgio Conti als Sous-Chefin in der Küche des Nobelrestaurants Valentino’s in Manhattan. Das Kochen ist Lilys Leben und ihre Berufung: Mit Hingabe probiert sie neue Rezepte aus und entwirft eigene, schmackhafte Kreationen. Unterstützt wird Lily von ihrer liebevollen Großmutter Josie, die ein gemütliches, kleines Häuschen in Greenwich bewohnt, das oft Lilys Zufluchtsort vor ihrer engstirnigen, starrköpfigen Mutter Victoria ist. Der auf einer wahren Geschichte beruhende Auftakt einer herzerwärmenden, spannenden Schmöker-Trilogie! Sabine Christ
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Unsere Buchempfehlungen im August
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Droemer Verlag 8,00€ |
Alexei Navalny: "Schweigt nicht!"In vielen Ländern der Welt erleben wir aktuell einen massiven Verlust an allgemeinen Grundrechten: das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht auf Demonstrationen beispielsweise. Staaten wie Belarus, China (Hongkong!), der Libanon und Russland stehen da nur exemplarisch für diverse Andere. Umso mehr muss man die Menschen bewundern, die sich trotzdem nicht den Mund verbieten lassen, die sich offen zeigen, sich zusammenschließen und gemeinsam auf die Straße gehen. Jederzeit mit dem Risiko, dafür im Gefängnis oder in einem Straflager zu landen. Wir haben das Glück in einer Demokratie zu leben, aber ohne unser Zutun bleibt sie nicht lebendig. Nawalnys Reden (übrigens zum Preis von ca. zwei Cappuccino!) laden ein, aus der Komfortzone herauszukommen und sich einzusetzen für Rechte, die uns so selbstverständlich scheinen. Astrid Henning
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Droemer HC 20,00€ |
Therese Anne Fowler: "Gute Nachbarn"Dieses Buch war ein sehr unterhaltsamer Weg mir das Herz zu brechen. Sie werden nicht aufhören können zu lesen (und dann nicht aufhören können zu weinen). In der Kleinstadt Oak Knoll in North Carolina halten die Leute zusammen. Die Forstwissenschaftlerin Valerie liebt es ihren Sohn in dieser liberalen Blase des Südens aufwachsen zu sehen. Als alleinerziehende Mutter hat sie es nicht leicht, aber Xavier ist wahrlich ein Kind der gesamten Nachbarschaft und ihr ganzer Stolz: genügsam, höflich und durch seine musikalische Begabung für ein Stipendium an einer Elite-Uni vorbestimmt. Als Sohn einer Schwarzen Mutter und eines weißen Vaters hadert er jedoch mit seiner Identität und seinem Platz in der Welt. Dann zieht Juniper in das Haus nebenan und die beiden Teenager verlieben sich innbrünstig. Valerie jedoch ist skeptisch gegenüber der neureichen, weißen Familie und, während eine geliebte Eiche einen langsamen Tod stirbt, werden Geheimnisse offenbar, die eine gesamte Nachbarschaft erschüttern können. Die Erzählung wird aus der Perspektive dieser Nachbarschaft beschrieben: ein Chorus, der nicht griechisch anmutet, sondern äußerst leicht zugänglich ist. Man kann nicht anders als sich in die Charaktere zu verlieben, die liebenswürdig und fehlerhaft sind, aber durch die Distanz in der Perspektive stets nie gänzlich gekannt werden wollen. Es war zudem sehr erfrischend eine Geschichte zu lesen in der die wohlhabende, weiße Familie das fremde, disruptive Element in der vermeintlichen Kleinstadt-Utopie darstellt. „Gute Nachbarn“ ist ein Porträt einer Nachbarschaft, das eine Familiengeschichte zu einem Gesellschaftsroman macht, in dem Themen wie Rassismus und Sexismus, und ihr weitreichender Einfluss, Anklang finden. In einer Anmerkung der Autorin geht sie offen damit um, dass sie als weiße Autorin gezögert hat eine Geschichte über Schwarze Charaktere zu schreiben – darf sie aus einer ihr unzugänglichen Perspektive schreiben, einer politisch und kulturell vielschichtigen menschlichen Erfahrung, die sie nie machen wird? Ms. Fowler hat sich dazu entschieden sich der Thematik künstlerisch zu nähern. Herausgekommen ist ein Roman, der wichtige Themen anreißt. Ich würde ihr Unterfangen keineswegs aktivistisch nennen, aber mutig und vor allem unterhaltend.
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Rowohlt 22,00€ |
Matthias Nawrat: "Reise nach Main"Dieses Buch war für mich wirklich ein kleiner Überraschungsfund: Ich hatte von Nawrat bislang kein Buch gelesen, hier hat mich die Geschichte neugierig gemacht, das Cover angesprochen – also los! Ein Sohn, ein Schriftsteller, ca. Mitte 40, reist mit seiner – recht energischen und meinungstarken – Mutter in die USA. Geplant ist, dass er ihr eine Woche „sein“ New York zeigt, danach besucht sie noch eine Woche Freunde in den USA und der Sohn reist seinerseits eine Woche durch Maine. Recht kurz vor der Abreise zerschlägt sich allerdings der Besuch der Mutter bei den Freunden, sodass sie zum Sohn sagt: „Fein, dann reise ich noch eine Woche mit dir durch Maine.“ Hm. Das trübt die Vorfreude des Schriftstellers nun doch ein wenig. Eine gemeinsame Woche in New York, das wär genau das Richtige gewesen, aber nun, eine weitere Woche, das ist vielleicht etwas zu viel des Guten. Der feine Ton von Nawrat, lakonisch, warmherzig beobachtend, ruhig und humorvoll, macht dieses Buch zu einem ganz besonderen Vergnügen. Ich habe es jedenfalls in mehrfacher Hinsicht genossen: Der Roman ist eine wunderbare Mutter-Sohn-Geschichte, die sehr schön einfängt, wie vielleicht jedes Kind manchmal fühlt, irgendwas zwischen Liebe, Dankbarkeit und doch einer latenten Genervtheit. Außerdem besuchen wir mit den beiden Protagonisten eine Woche lang New York, und jeder, der diese Stadt liebt, wird hier viel wiedererkennen und zumindest im Kopf durch die Stadt schlendern können. Und: Die hier beschriebene zugewandte und freundliche Art der New Yorker und Amerikaner versöhnt einen mit einem Land, das in den letzten Jahren, Monaten, Wochen für heftigste Irritationen gesorgt hat. Absolute Empfehlung! Astrid Henning
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Hanser 20,00€ |
Castle Freeman: "Herren der Lage"Vermont, Cardiff Lucian Wing, der "Hinterwäldler mit Sheriffstern", auch bekannt unter dem Namen "Abreger", liebt seinen Job. Zwar gibt es bedeutendere Sheriffposten, als in Cardiff, aber seinem Gemüt entspricht das entschleunigte Leben durchaus.Verheiratet ist er mit Clementine, der Tochter des einflussreichen und idealerweise sehr wohlhabenden Rechtsanwalt Addison Jessup. Während die temperamentvolle Clemmie noch wutschnaubend Kaffeebecher nach ihrem Mann wirft, wartet bereits zusätzlicher Ärger im Police Office... So viel schwarzer Humor, Kurzweil, schräge Typen und herrliche Ironie = ein tolles Buch! (Auch für Quartalsleser bestens geeignet!) Andrea Westerkamp
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C.H. Beck 22,00€ |
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Heyne 14,99€ |
T.J. Klune: "Mr. Parnassus' Heim für Magisch Begabte"Linus Baker ist Sozialarbeiter. Er ist alleinstehend, sehr gewissenhaft, kennt alle Regeln und Vorschriften, die das Ministerium für seine Arbeit vorgibt, und hält sich tunlichst daran. Linus besucht Heime, in denen magisch-begabte Lebewesen untergebracht sind, und überprüft, ob diese den Qualitätsstandards des Allerhöchsten Managements seines Landes genügen. „Mr. Parnussus Heim für magisch Begabte“ ist ein wunderbares Fantasybuch, dessen Charaktere mir in ihrer Einzigartigkeit allesamt sehr ans Herz gewachsen sind. Auch wenn die Geschichte an einigen Stellen ein wenig plakativ und vorhersehbar ist, bleibt sie ein Plädoyer gegen Ausgrenzung und Vorurteile, für Vielfalt und Anderssein, in einer Welt, in der dies an vielen Orten für viele Menschen noch genauso unvorstellbar scheint wie für die Bewohner des Küstenstädtchens in Klunes Roman. Sabine Christ
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Kein & Aber 25,00€ |
Ayelet Gundar-Goshen: " Wo der Wolf lauert"Ist ein Buch dieser Schriftstellerin angekündigt, bin ich freudig gespannt, gehört sie doch zu meinen absoluten Lieblingsautorinnen. Und auch dieses Mal wurde ich nicht eine Minute enttäuscht. Der 16jährige Adam lebt mit seinen Eltern im Silicon Valley. Er ist ein schmächtiger, zarter und in letzter Zeit immer verschlossenerer Heranwachsender. Seine Mutter Lilach leidet darunter, dass sie zu ihrem geliebten, recht „behelikopterten“ Sohn keinen Zugang mehr hat. Überhaupt ist sie in ihrem heutigen Leben kaum verwurzelt. Michael Shuster, ihr beruflich überaus erfolgreicher Ehemann, und sie wanderten vor 17 Jahren aus Israel ins verheißungsvolle Kalifornien aus. Ihre Motivation war es, dem Sohn ein sicheres Zuhause zu bieten. Adam sollte ohne Bomben, Wehrdienst, Angst und dem Gefühl von Judenhass groß werden. Für Michael war diese Umsiedlung kein Problem, schnell wurde aus ihm ein Mikel. Lilach hingegen tut sich bis heute schwer, hat nur einen kleinen ehrenamtlichen Job in einem Altersheim, bei dem sie ein kulturelles Unterhaltungsprogramm für die Bewohner zusammenstellt. Das füllt die vielen Stunden, die sie allein zu überbrücken hat nicht aus. Lilach leidet unter Einsamkeit und Sinnsuche. Umso härter trifft sie die Eiszeit zwischen Mutter und Sohn und die Hilflosigkeit zusehen zu müssen, wie ihr Kind immer mehr zum Einzelgänger wird. Nicht umsonst hat die Autorin Gundar-Goshen Psychologie studiert. Sie nimmt uns mit in die Abgründe der menschlichen Seele. Ängste, die in uns schlummern, spüren wir beim Lesen körperlich. Das Schweigen der Figuren steht im Raum. Gleichzeitig ist dies ein politischer Roman, zur Zeit leider wieder hochaktuell, der die Schmähung jüdischer Mitbürger darstellt und sich mit Rassismus und dessen Umgang auseinandersetzt. Von Anfang bis Ende war ich gefesselt, Sie werden es auch sein. Annette Matthaei
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Piper 22,00€ |
Chris Whitaker: "Von Hier bis zum Anfang"California, Cape Haven Heute ist ein besonderer Tag für Chief Walk! Sein alter Freund aus längst vergangenen Zeiten wird nach dreißig Jahren Gefängnis entlassen. Vincent war damals verantwortlich gemacht worden, am Tod der kleinen Sissy Radley Schuld zu sein. Diese Tragödie hatte den ganzen Ort monatelang in Atem gehalten, und noch heute kämpfen die Angehörigen der damals Involvierten mit den Folgen. Z.B. Star, die große Schwester von Radley: Alle Jungs waren verliebt in dieses bildhübsche Mädchen - Walk und Vincent bildeten da keine Ausnahme. Hübsch ist sie immer noch, aber das Leben ist hart für sie und die Kinder Robin (5) und Duchess (13). Während Star immer mehr im Alkoholrausch verschwindet, mutiert ihre Tochter zur Ersatzmutter. Ein Buch mit einem unglaublichen Sog. Die Intensität, mit der Chris Whitaker Duchess Kampf gegen ihre inneren und äußeren Dämonen beschreibt, ist unglaublich. Andrea Westerkamp
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Unsere Buchempfehlungen im Juni
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Penguin 11,00€ |
Anna Quindlen: "Der Platz im Leben"Bücher, die Straßen und deren Bewohner beschreiben, ziehen mich an. Ich finde es herrlich von Haus zu Haus zu schlendern und hinter die Türen zu schauen. Man kommt sich beim Lesen direkt ein bisschen voyeuristisch vor. So auch in diesem Roman von Anna Quindlen. Genauen Einblick bekommen wir in das New Yorker Leben von Nora Nolan und ihrer Familie. Seit 25 Jahren ist sie mit Charlie verheiratet. Die Zwillinge haben vor einiger Zeit das Elternhaus verlassen, um am College zu studieren. Es bleibt der gute, treue Homer, Familienhund. Nora jobbt, nicht besonders enthusiastisch, als rechte Hand einer steinreichen Erbin in Manhattan. Charlie arbeitet als Investmentbanker und das ermöglicht den Nolans in einer kleinen Sackgasse (Teekesselchenwort) zu wohnen. Sie können sich glücklich schätzen in der Westside von Manhattan vor vielen Jahren ein so schönes, kleines Domizil erworben zu haben. Heutzutage sind die Kaufpreise für die zentrale, aber ruhige Lage, exorbitant in die Höhe geschossen. Obwohl wir alle eifrig Mengen an Neuerscheinungen lesen, passiert es immer mal, dass uns eine sehr lesenswerte Novität durchrutscht. Wie gut, dass diese Bücher zumeist später als Taschenbuch erscheinen. So bekommen sie eine zweite Chance… Und um diesen amerikanischen Gesellschafts- und Familienroman wäre es wirklich schade gewesen, hätten wir ihn Ihnen nicht vorgestellt. Humorvoll und nachdenkenswert. Annette Matthaei
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Droemer Verlag 18,00€ |
Mechthild Borrmann: "Glück hat einen langsamen Takt"Dass Mechthild Borrmann hervorragende Romane schreiben kann, wissen wir schon länger: „Trümmerkind“ und „Grenzgänger“ sind nur zwei Erfolge der letzten Jahre. Nun veröffentlicht der Droemer Verlag einen Band mit Erzählungen, und auch hier zeigt die Autorin, dass sie ebenso die kurze Form beherrscht. Die Geschichten handeln von unterschiedlichsten Dingen, von den großen Gefühlen: Schuld, Verrat, vom Bereuen oder Sehnsüchten, sie sind teilweise ganz kurz, manche nur 2-3 Seiten, andere etwas länger – aber nach jeder Geschichte hält man zunächst mal kurz inne, holt Luft und denkt nach. Viele der Erzählungen werfen einen Blick in die Vergangenheit, erzählen vom Beginn einer Liebe und wie sie sich abschleift, andere bleiben ganz in der Gegenwart. Wir haben langjährige Ehepaare, Väter und Söhne, Jugendfreunde, Nachbarn - eigentlich alles, was jeder von uns so in seinem Alltag auch an Beziehung erlebt. Beim Lesen ging es mir jedenfalls wie beim Genießen von Pralinen: Man kann nicht einfach eine nach der anderen essen, sondern sinnt durchaus noch länger den verschiedenen Geschmacksnuancen nach. Astrid Henning
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KiWi 20,00€ |
Susann Pásztor: "Die Geschichte von Kat und Easy"Dieses Buch erzählt die Geschichte einer Freundschaft, eigentlich muss man sagen: zweier Freundschaften. Jetzt sind Kat und Easy Ende 50 und haben seit ewigen Zeiten keinen Kontakt mehr zueinander. Kat betreibt einen Blog, in dem sie eine unkonventionelle Mischung aus Coach und Briefkastentante ist, und dort erhält sie eines Tages eine Anfrage mit dem Absender „easy1973“… Die beiden Frauen telefonieren miteinander und Easy überredet Kat, ein paar Tage mit ihr gemeinsam in Griechenland zu verbringen. Eigentlich hat Kat überhaupt keine Lust, die Vergangenheit wieder aufleben zu lassen, aber so ganz allmählich tasten die Beiden sich vor, erkunden die letzten Jahrzehnte, trinken, essen, erzählen und trinken. Vielleicht keine spektakulär neue Geschichte, aber erzählt im Susann Pásztor-Ton dann eben doch sehr frisch, berührend und sicherlich mit Wiedererkennungswert. Astrid Henning
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Heyne 20,00€ |
Karsten Dusse: "Achtsam Morden - Am Rande der Welt"Nun ist es soweit, unser guter Bekannter, der Rechtsanwalt Björn Diemel, wird 45 Jahre alt und eine Midlife-crisisis scheint sich in seinem Leben breit zu machen. Seinen Geburtstag feiert er, liebevoll betrachtet, mit ein paar Mandanten, realistisch gesehen mit zwei Damen des leichten Gewerbes und kriminellen Schwerkalibern einer deutschen Großstadt. Wir sind froh, dass Björn den Psychotherapeuten Joschka Breitner als ewig verständnisvollen Ratgeber an seiner Seite hat. Dieser stets besonnene Mann (Herausgeber der Bücher: "Entschleunigt auf der Überholspur-Achtsamkeit für Führungskräfte“ und „Zu Fuß ins Ich-Pilgern als Selbstfindung“) rät unserem Helden, wir ahnen es schon, zur vierwöchigen Pilgerreise auf dem Jakobsweg von Saint-Jean-Pied-de-Port bis Finisterre, dem früheren Rand der Welt. Geraten, getan: mit Tagebuch und wichtigen Lebensfragen ausgestattet, begibt Björn sich auf die nicht mehr ganz ungewöhnliche Reise. Nicht nur Harpe Kerkeling „kann“ Jakobsweg. Mit Björn Diemel werden Sie die Reise ins Innere noch von ganz anderen Seiten beleuchten können und dabei sehr viel zu Kichern haben. Das Einzige, was mich bei diesem zum Brüllen komischen Krimi nicht belustigt hat, ist die Tatsache, dass nachdem die ersten beiden Bände, der ansonsten völlig unabhängig voneinander zu lesenden Bücher, die sich zu Dauerbrennern auf den Bestsellerlisten gemausert haben, nun nicht als Taschenbuch wie die Vorgänger erschienen ist, sondern als Hardcover. Bei allem im Hier und Jetzt Bleiben, da ruft der schnöde Mammon... Annette Matthaei
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S. Fischer 21,00€ |
Götz Aly: "Das Prachtboot"Das Berliner Humboldt Forum zählt zu den Glanzstücken seiner Ausstellung über die Kulturgeschichte der Menschheit ein prachtvolles, kunstvoll verziertes Segelboot, dessen Geschichte zurückreicht in die weitaus weniger ruhmreiche Phase des deutschen Kolonialismus. Der renommierte Historiker Götz Aly lüftet in seinem neuen Buch den Schleier kolossaler Verbrechen, die im Namen des deutschen Kaiserreiches nicht nur in Südwestafrika, sondern u.a. auch in Teilen des Pazifik, dem damals sogenannten Bismarck Archipel, an friedlichen Insulanern verübt wurden und bis zum heutigen Tag weitgehend verharmlost und in Vergessenheit geraten sind. In Alys Familie gab es einen Urgroßonkel, der als Militärpfarrer die ersten Schiffe der Kriegsmarine begleitete, verantwortlich für das seelische Wohl der Mannschaften. Dessen Tagebücher geben Aufschluss über Geschehnisse quasi „aus erster Hand“. Am Beispiel des mittlerweile berühmten Einbaumbootes, des letzten noch verbliebenen Seglers der überlebenden Restbewohner der winzigen Insel Luf, demaskiert Götz Aly verzweifelte Versuche von offizieller Seite, die grausame Seite des deutschen Kolonialismus und den Rassismus bis zum heutigen Tage zu verharmlosen, in dem z. B. behauptet wird, das Boot sei angesichts des Bevölkerungsrückgangs vor dem Verrotten gerettet worden. Im Hinblick auf die Tatsache, dass die Aufarbeitung der Gräueltaten des Nationalsozialismus die Erinnerung an den Kolonialismus des Kaiserreiches und seine Folgen in den Hintergrund treten ließ, liefert dieses Buch einen wichtigen Beitrag zur Ergänzung dieses Teils deutscher Geschichte. Lennart Matthaei
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List 15,99€ |
Richard Osman: "Der Donnerstagsmordclub"Eine Seniorenresidenz von der man nur träumen kann. Auf dem Gelände eines ehemaligen Klosters liegt Coopers Chase. Das Meer an der Küste von Kent rauscht im Hintergrund, die niedrigen, edlen Gebäude sind geschickt in einem gepflegten Park angeordnet. Mit einem Alkoholverbot nimmt es hier auch niemand so genau, sodass bereits am Nachmittag ein erfrischender, den Kreislauf anregenden Gin gezischt werden kann. An diesem idyllischen Ort leben die vier Senioren Elizabeth, Ron, Ibrahim und neuerdings Joyce, die ihr Glück kaum fassen kann, wird sie doch von den drei anderen in den Donnerstagsmordclub aufgenommen. Man trifft sich, um ungelöste Mordfälle aufzuklären. Wie überaus spannend! Angestoßen hat diesen Club Elizabeth, ehemalige Geheimagentin, hellwacher Geist und Kopf der Bande. Ibrahim praktizierte als Psychiater, ist besonnen, voller Menschenkenntnis, mit analytischem Blick. Das kann man von Ron, früherem Gewerkschaftsführer, nicht unbedingt sagen. Er trägt sein Herz lauthals auf der Zunge, ist aufbrausend, temperamentvoll, aber doch mit weichem Kern und breiter Brust zum Anlehnen. Fehlt nur noch die naive und an das Gute im Menschen glaubende Joyce mit ihren feinen weißen Löckchen, die sich durch den richtigen Spruch zum rechten Moment und der Fertigung einer fantastische Walnusscapuccinotorte auszeichnet. Ein leichter Krimi voller Witz und liebenswerter Charaktere, der Lust auf den letzten Lebensabschnitt macht. Und wenn es bei mir mal so weit ist, ziehe ich nach Coopers Chase, das ist schon klar. Annette Matthaei
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Hoffmann & Campe 22,00€ |
Constantin Schreiber: "Die Kandidatin"Wie sieht es wohl in ca. dreißig Jahren in der Bundesrepublik Deutschland aus? Wo stehen dann die Parteien, welche heutigen Perspektiven, Pläne und Ziele konnten sich in der politischen Landschaft etablieren? Nun, diesen und anderen Fragen widmet sich Constantin Schreiber in seinem neuesten Roman. Deutschland ist den Weg des Wandels angetreten, scheinbar gibt es kaum andere Themen mehr als Diversität in allen Bereichen. Vielfältigkeitsmerkmale sind Trumpf, werden in den Personalausweisen der Bürger:innen vermerkt und gelten als Einstellungskriterien bei Firmen und Behörden. „Wir wollen die totale Diversität“, so das Credo der ersten muslimischen Bundes-kanzler:innenkandidatin. Der Roman ist reine Fiktion, aber dermaßen treffend und gut ausdekliniert, dass man ihn für bare Münze halten könnte. Mit voller Absicht enthält er einen dynamitgleichen Cocktail von Annahmen von Veränderungen, die bereits heute absurd und zum Teil beängstigend anmuten: Eine Fortführung der Spaltung der Gesellschaft, eine Weiter-entwicklung der Machtansprüche einzelner Personen. Bewusst wird hier alles auf die Spitze getrieben, sei es die Diversität, seien es die schwierigen Auslandsbeziehungen zu China - und nicht zuletzt das konsequente Gendern der Sprache, was stellenweise durchaus belustigend wäre, wäre es nicht so anstrengend. Heike Kasten
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Goldmann TB 15,00€ |
C.J. Tudor: "Schneewittchen schläft"Nach "Der Kreidemann" und "Lieblingskind" erschien nun der dritte Thriller von C.J.Tudor. Anders als bei vielen anderen Krimiautoren baut die Engländerin nicht auf Seriencharakter. So spielt ihr neues Gruselstück zwar ebenfalls in England, hat aber ansonsten keinerlei Verbindung zu den Vorgängern. Gabe hat ein schlechtes Gewissen. Jenny bat ihn wiederholt darum, wenigstens an einem Abend pro Woche rechtzeitig nach Hause zu kommen, um die 5jährigen Izzy ins Bett zu bringen und ihr eine Gute-Nacht-Geschichte vorzulesen. Stattdessen steht er im Stau und ahnt, dass es wieder unschöne Diskussionen geben wird. Vor ihm schleicht ein orangefarbener alter Ford Cortina mit auffallend geschmacklosen Aufklebern. Endlich löst sich der Stau auf, und Gabriel setzt zum Überholmanöver an. Da taucht urplötzlich ein kleines Mädchengesicht auf dem Rücksitz des Fords auf. Die Kleine schaut aus dem Fenster direkt in seine Augen, nimmt ihn wahr und formt das Wort "Daddy"... Sobald ein Kind auf dem Cover eines Thrillers abgebildet ist, schrecken häufig sogar die abgebrühtesten Fans dieses Genres vor dem Kauf zurück. Gewalt an Kindern möchte niemand freiwillig lesen! Seien Sie gewiss, mir geht es nicht anders. Vertrauen Sie mir, wenn ich Ihnen garantiere : hohe Spannung - ohne Unaussprechliches! Andrea Westerkamp
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Rowohlt 22,00€ |
Marie Aubert: "Erwachsene Menschen"Ein Sommerroman, der es in sich hat… Ida und Marthe sind Schwestern, Ida ist 40, erfolgreiche Architektin, gerade Single, aber dennoch: Kinderwunsch ist absolut ein Thema für sie und die Uhr tickt. Deshalb überlegt sie gerade, ob sie nicht ein paar Eizellen einfrieren lassen soll, das geht ja inzwischen, für irgendwann mal. Sie hat gerade Untersuchungen hinter sich, ob das für sie überhaupt möglich ist. Nun ist sie auf dem Weg ins kleine Wochenendhaus der Familie, idyllisch in den Schären, ihre Schwester wird da sein, deren Partner Kristoffer samt Patchwork-Tochter. Auch die Mutter hat sich angesagt, es sollen ein paar unbeschwerte Tage werden. Wahrscheinlich kennt jede/r von uns diese Momente, und wenn’s gut geht, bezwingt man sich. Ein tolles deutsches Debut dieser norwegischen jungen Autorin, knapp und auf den Punkt, übersetzt von Ursel Allenstein, die auch schon die Kopenhagen-Trilogie von Tove Ditlefsen übersetzt hat. Astrid Henning
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Luchterhand 22,00€ |
Leila Slimani: "Das Land der Anderen"Die blutjunge, lebens- und abenteuerlustige Elsässerin Mathilda lernt am Ende des zweiten Weltkrieges Amine, einen Marokkaner, der für Frankreich ehrenhaft gegen die Deutschen gekämpft hat, kennen und leidenschaftlich lieben. Als 21jährige, ausgehungert durch die Kriegsjahre, geht sie 1947 als Amines Ehefrau mit in sein von den Franzosen kolonialisiertes Heimatland, ohne auch nur die geringste Vorstellung von dem zu haben, was sie dort erwarten wird. Voller Vorfreude ist sie, aber auch belastet mit dem Gefühl der Verwirrung, ihr Heimatland hinter sich zu lassen und auf völlig unbekanntem Terrain in einer fremden Kultur ein neues Leben aufzubauen. In der Nähe von Mekmes hat Amines Vater vor Jahren ein karges Stück Land gekauft, inmitten der Plantagen der französischen Kolonialisten. Der Traum des Sohnes ist es, diesen Boden fruchtbar zu machen. Die andauernde Schwere der Arbeit lässt Amine über die Jahre hart gegen sich selbst und seine Lieben werden. Mathilda gebärt zwei Kinder, Aische und Selim. Auch ihr Leben als Mutter und Bäuerin entwickelt sich zur Plackerei von morgens bis abends, hin und her gerissen zwischen Pflichtgefühl und Hass auf fremde Kultur, Unterdrückung der Frau und nicht zuletzt die erbarmungslose Hitze. Faszinierend das Leben in der Wüste Marokkos, schockierend die Unterwerfung der Frau in den Nachkriegsjahren, spannend die politische Entwicklung in einem Land, das versucht sich von der Übermacht Frankreichs seit 1912 zu befreien. Annette Matthaei
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Rowohlt 10,00€ |
Nora Luttmer: "Hinterland"Eine neue Ermittlerin betritt die Hamburger Krimiszene: Bette Hansen, bis vor kurzem noch Kommissarin im Hamburger Morddezernat. Ihren Dienst musste sie allerdings kürzlich quittieren, weil sie unter Narkolepsie leidet, d.h. sie hat plötzliche, für sie nicht kontrollierbare Schlafattacken. Und mitten im Verhör einschlafen, wie es ihr tatsächlich passiert ist – das geht natürlich gar nicht. Ziemlich frustriert ist sie vom quirligen Hamburg in den Ort ihrer Kindheit zurückgezogen, nur ein paar Kilometer weiter, ins ländliche Ochsenwerder und wohnt in ihrem ehemaligen Elternhaus. Doch einen Fall, natürlich einen ungelösten, kann Bette nicht vergessen, im Morddezernat nannten sie ihn den „Muschelmörder-Fall“, das klingt so idyllisch… Der Mörder aber hatte mit brutaler Gewalt zwei Menschen umgebracht und am Tatort sein Zeichen hinterlassen, eingeritzt in ein Stück Holz: eine Muschel kombiniert mit einem Kreuz. Und nun stolpert Bette in ihrem Garten über ein Stück Holz, hebt es auf und entdeckt wiederum das Muschelkreuz. Kurz darauf erhält sie eine Mail, offensichtlich vom Mörder und es beginnt ein Katz- und Maus-Spiel der sehr spannenden Sorte, denn es wird nicht bei der einen Mail bleiben. Der Krimi wechselt zwischen Bettes Perspektive und der von Hannah, einer jungen, eher unauffälligen Frau aus dem Schanzenviertel, die sich gerne und ziemlich unheimlich in die Leben anderer Menschen einschleicht. Sehr gekonnt lässt Nora Luttmer erstmal in der Schwebe, was die beiden denn miteinander zu tun haben könnten. Und ebenso haben wir hier den Wechsel vom gemütlichen Ochsenwerder, dem Dorf, wo jeder jeden kennt, das Leben einen Tick langsamer verläuft zum trubeligen Hamburger Zentrum, anonym, mit schnellem Takt und manchmal unerbittlich: Schaffst du’s hier? Gehörst du dazu? Astrid Henning
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Pendragon Verlag 24,00€ |
Florian Knöppler: "Kronsnest"Dithmarschen im Holsteinischen in den ausgehenden, zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Der kleine Hannes lebt mit seinen Eltern auf einem mittelgroßen Hof in Kronsnest. Die Zeiten sind hart. Das Landleben trotzt den Bewohnern alle Kräfte ab. Auch der Vater arbeitet ununterbrochen und verbissen. Für das Vieh gibt es nicht mehr genug Geld, das Wetter führt zu Missernten. Diese Tatsachen, aber auch der Charakter des Bauern, entfachen in ihm eine zügellose Brutalität gegen alle Lebewesen. Der eher schüchterne Sohn kann es seinem Vater niemals recht machen, wird verbal und körperlich gezüchtigt. Der scheuen Mutter bleiben nur ein heimlicher Blick und ein schnelles Berühren, um dem Jungen Trost zu spenden. Im Laufe der Jahre entwickelt sich jedoch aus dem kindlichen Duckmäusertum mit zunehmend breiter werdenden Kreuz beim Heranwachsenden ein tiefer Groll gegen den Vater. Er widersetzt sich, lässt den Tobenden mit seiner Wut auflaufen, ist ihm körperlich überlegen. Die Luft in der düsteren Küche der Kate bei den gemeinsamen Mahlzeiten ist zum Schneiden dick. Die Mutter versucht in stiller Verzweiflung zu vermitteln, vergeblich. Hannes findet jedoch ein Ventil, um mit seinem Leben klar zu kommen. Die Freundschaft zu Thies, die zarte Liebe zu der rätselhaften Gutsbesitzerstochter Mara und die Begeisterung für die Natur, all das lässt ihn ein Quäntchen Glück verspüren und weiterkommen auf der Suche nach seinem Platz im Leben. Die Situation verändert sich, als der Vater ums Leben kommt und die Nazis für Unruhen auch unter der Landbevölkerung sorgen. Zuviel will nicht verraten sein bei diesem herausragenden Roman, der mit leisen Tönen daher kommt. Die Schilderung des Landlebens vor 100 Jahren, die politische Entwicklung, die fein gezeichneten Charaktere, die Empathie für die Hauptperson, all das bringt der im Norden lebende Autor auf eine so intensive Weise zu Papier, dass das Lesen zu einer Sensation wird. Ein großartiges Debüt. Annette Matthaei
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Pendo Verlag 17,00€ |
Guillaume Musso: "Eine Geschichte, die uns verbindet"Flora Conway, preisgekrönte, aber extrem publikumsscheue Schriftstellerin, begnügt sich bei einer jeden Neuerscheinung eines ihrer Bücher damit, in homöopathischen Dosen einige wenige Interviews per Email zu geben. Mehrfach schon erklärte Mrs. Conway, sich von den Zwängen und Heucheleien des Ruhms befreien zu wollen, sie geht sogar so weit zu erklären, dass sie sich weigere am Medienzirkus teilzunehmen, den sie verabscheut, sie schreibe Romane, um eben „dieser von Bildschirmen dominierten, intelligenzlosen Welt zu entfliehen.“ Zur gleichen Zeit vermag der französische Romanschriftsteller Romain nicht zu glauben, was gerade in seinem Manuskript passiert: Seine Protagonistin befindet sich auf dem Dach ihres Hauses und droht in die Tiefe zu springen. Er könnte sie retten, aber nur, wenn er alles riskiert, so seinen eigenen Sohn. Was ist hier Fiktion, was Realität? Guillaume Musso spielt gekonnt mit seiner Leserschaft und treibt ein überaus raffiniertes Verwirrspiel auf die Spitze. Kontinuierlich stellt sich die Frage: Wer ist der Autor, wer die Figur? Auf dem äußerst schmalen Grat zwischen Wirklichkeit und Fantasie bestimmen immer wieder überraschende Wendungen den Fortlauf der Geschichte. Heike Kasten
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Dumont 22,00€ |
Melissa Harrison: "Vom Ende eines Sommers"Die vierzehnjährige Edie Mather lebt mit ihrer Familie an der Ostküste Englands auf der Wych Farm. Edie ist ein für ihre Zeit seltsames Mädchen. Sie liebt Bücher und Geschichten und legt kaum Wert auf die Gesellschaft anderer Menschen. Als jedoch die charmante, eloquente Journalistin Constance FitzAllen aus London im kleinen Ort auftaucht und mit beständiger Hartnäckigkeit ins Leben der Mathers eindringt, um Reportagen über das Leben der Landbevölkerung für eine Zeitung zu schreiben, öffnen sich für Edie völlig neue Sichtweisen und Horizonte. Constance ist freundlich zu Edie, scheint sich für sie und ihr Leben wirklich zu interessieren und symbolisiert ein für das Mädchen völlig neues Frauenbild. Nach und nach überwinden die Bewohner der Farm ihre Skepsis Constance gegenüber; sie scheint fast zu einem Teil der Familie zu werden. Nur John, ein Angestellter der Farm, bleibt konstant auf Abstand zu der jungen Frau. Zu spät erkennen die Dorfbewohner, dass die Journalistin andere Ziele verfolgt als die Dokumentation des heilen Landlebens und nicht die ist, die sie vorgibt zu sein. Sie bringt politische Ideen mit, die bald ganz Europa in einen weiteren, fürchterlichen Krieg führen werden und die auch Edies Leben für immer verändern werden. Die Geschichte von Edie hat mich in zweierlei Hinsicht sehr fasziniert: Sie ist gleichermaßen Zeitdokument wie auch eine zauberhafte, fast magische Darstellung der Schönheit der Natur mit all ihren Facetten. Sabine Christ
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Fischer TB 15,00€ |
Kate Penrose: "Tiefrot tanzen die Schatten"Auf der idyllischen Scilly-Insel St. Mary‘s vor der Süd-Ostküste Englands geschieht ein grausamer Mord: Sabine, eine junge Frau aus Osteuropa, die den Sommer über in einem Hotel auf der kleinen Insel arbeitete, wird als Braut verkleidet, mit einem Schleier verhüllt und einem Ehering am Finger aufgehängt am Pulpit’s Rock, einer aufs Meer hinausragenden Felsformation, tot aufgefunden. Die Bewohner der kleinen Insel sind entsetzt: Wer tut so etwas bloß? Für Detective Inspector Ben Kitto bedeutet der Mord eine doppelte Herausforderung. Erstens ist er gezwungen, alte Freunde und Bekannte zu vernehmen, zweitens wird schnell klar, dass der Mörder offenbar eine Botschaft mit seiner Tat senden will und es nicht nur auf Sabine abgesehen hatte. Der spannende Kriminalfall auf den idyllischen Scilly-Inseln vereint Urlaubsgefühl und Nervenkitzel- Gänsehaut im Strandkorb garantiert! Sabine Christ
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Ullstein Verlag 11,00€ |
Beate Maly: "Fräulein Mozart und der Klang der Liebe"Im Jahr 1751 wird in Salzburg Maria Anna Mozart, die ältere Schwester von Wolfgang Amadeus Mozart, geboren. Genau wie ihr Bruder Wolfgang liebt Maria Anna, von Eltern und Bruder liebevoll „Nannerl“ genannt, die Musik. Als Kind tritt sie zusammen mit ihrem Bruder oft bei Gesellschaften und kleinen Konzerten auf und interpretiert Wolfgangs erste eigene Kompositionen meisterhaft auf Violine und Klavier. Auf einem Ball lernt sie eines Tages den charmanten Franz Armand d’Ipold kennen und fühlt sich zum ersten Mal zu einem Mann hingezogen. Doch ihre Liebe scheint im festgefahrenen Gesellschaftssystem des 18. Jahrhunderts keine Chance zu haben...wird Nannerl trotzdem ihr Glück finden? Sabine Christ
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Unsere Buchempfehlungen im Mai |
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Fischer TB 16,99€ |
Andreas Götz: "Die Nachtigall singt nicht mehr"Ganz frisch auf den Tisch, gerade erst erschienen: Ein Wiedersehen mit dem Journalisten Karl Wieners, der schon im ersten Band dieser Krimi-Trilogie im München der Nachkriegszeit recherchiert hat und damals plötzlich mitten in einem Fall von Beutekunst steckte („Die im Dunkeln sieht man nicht“). Der Krimi beginnt mit einem gehörigen Knall: Im Sommer 1955 explodiert auf dem Schwabinger Postamt eine Paketbombe, und bei diesem Anschlag kommt Tomás Cierny ums Leben, ein slowakischer Exilpolitiker mit undurchsichtigen Verbindungen zum Geheimdienst. Und obwohl Karl eigentlich damit beschäftigt ist, den früheren Schwarzmarktgeschäften von Blohm auf die Schliche zu kommen, seinen Verbindungen ins vielleicht kriminelle Milieu, tun sich ganz schnell Zusammenhänge auf, die darauf hinweisen, dass Blohm in Verbindung steht mit dem slowakischen/russischen Geheimdienst. Karl wittert die Chance, Blohm ein Verbrechen nachzuweisen, um der Zweck-Ehe zwischen Magda und Blohm endlich ein Ende zu bereiten. Krimihandlung und private Belange sind in diesem Buch also eng verwoben, dazu die sehr gut geschilderte Atmosphäre der Wirtschaftswunderzeit, das macht den Roman zum echten, spannenden Lesevergnügen, nicht nur für Münchner – ich freu mich schon sehr auf den dritten Band! Astrid Henning
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Diogenes 23,00€ |
Sasha Filipenko: "Der ehemalige Sohn"Belarus im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert. Das ist nicht das Einzige, was sich im privaten Umfeld von Franzik verändert. Seine Mutter hat einen neuen Mann, mit diesem einen Halbbruder gezeugt und natürlich hat auch Nastja sich einem anderen zugewandt. Was sich nicht verändert hat, ja geradezu eingefroren erscheint, sind die politischen Verhältnisse in dem vom „großen Bruder“ überwachten, gegängeltem Land. Kein Fortschritt, derselbe autoritäre Präsident, nach wie vor niedergeknüppelte Proteste der frustrierten Bevölkerung. Der in Minsk aufgewachsene Filipenko beschreibt die Zustände in seinem Land bei aller Ernsthaftigkeit des Themas mit einer Portion Galgenhumor. Der Roman erschien bereits vor fünf Jahren in seiner Muttersprache, wurde hochgelobt, doch von einigen Kritikern als Utopie verrissen. Vielleicht ist es dringend nötig, dass das Volk der Belarussen aus seinem Koma erwacht, erste Vorboten sind seit dem letzten Jahr zu spüren. Annette Matthaei
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Fischer TB 16,99€ |
Daniel Speck: "Jaffa Road"Vermutlich hat Daniel Speck nicht geahnt, dass der Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis dieser Tage erneut eskalieren würde, als er seinen aktuellen Roman Jaffa Road schrieb, dessen Thematik damit brandaktuell wird. Wie in Piccola Sicilia lässt Speck seine Geschichte auch in Jaffa Road auf zwei Handlungsebenen spielen, die am Ende des Buches zusammenlaufen: In der Jetztzeit kommt die deutsche Enkelin von Moritz Reincke alias Maurice Sarfati, Nina Zimmermann, mit dessen jüdischer Tochter Joelle, die italienisch-tunesische Wurzeln hat, nach Sizilien, weil ihr Großvater tot in seiner Villa aufgefunden wurde. Dort begegnen die zwei Frauen dem palästinensisch-stämmigen, attraktiven Elias, der ebenfalls Anspruch aufs Erbe hat. Ein Schlag für die ältere Dame Joelle und ein Mysterium für die frisch geschiedene Nina. Wie viele Leben hat Moritz denn noch geführt? Sie bittet Elias und Joelle, die Geschichten ihrer Vergangenheit und ihrer Familien zu erzählen, und versucht so, dem Rätsel um die geheimnisvolle Person ihres Großvaters auf die Spur zu kommen, der im Zweiten Weltkrieg als Propaganda-Fotograf der SS mit dem Deutschen Afrikakorps nach Tunis kam, desertierte, bei italienischen Juden Unterschlupf fand und sich in deren Tochter Yasmina Sarfati, Jolles Mutter, verliebte, während in Deutschland eine junge Frau ein Kind von ihm erwartete… Ohne Partei zu ergreifen, sehr einfühlsam und gut recherchiert, so mein Eindruck, als packende Familiengeschichte mit einer Prise Krimi und einem Hauch Spionage-Thriller präsentiert uns Daniel Speck ein bedeutendes Stück Zeitgeschichte. Die 664 Seiten waren viel zu schnell um. Absolut lesenswert! Nina Chaberny-Bleckwedel |
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Heike Duken: "Denn Familie sind wir trotzdem"Frau Duken, die Autorin, Jahrgang 1966, ist Psychotherapeutin mit eigener Praxis. Sie verarbeitet in ihrem ersten Roman ein Stück dunkelster Familiengeschichte. Euthanasie und Versuche an behinderten Kindern im Naziregime ist ein Thema, das uns alle zutiefst verstört. Der Großonkel Johann Duken war Direktor der Kinderklinik der Uniklinik Heidelberg und maßgeblich an der Ermordung von „erbkranken“ Kindern beteiligt. Ihr Vater, den sie nur als kleines Mädchen erlebte, da er früh verstarb, wurde von eben diesem Onkel erzogen. Johann brach dieses Kind und dessen jüngeren Bruder, der als Verweigerer des Regimes im Kriege fiel. Der Vater meldete sich freiwillig zur Waffen SS, überlebte, armamputiert, schweigend bis kurz vor seinem Tode, dann zutiefst bereuend. Zwar hat jede Generation ihr individuelles, nicht leichtes Päckchen zu tragen, aber doch begegnen die Jüngeren dem Schicksal und den früheren Entscheidungen der Älteren mit mehr Verständnis. Man merkt, dass sich in den letzten Jahren in dieser Hinsicht viel getan hat. Die jüngere Generation bricht das Schweigen und will wissen, was geschah. Das Schlimmste ist das Vergraben der Schuld und der Traumata in der Seele, ein Verhalten, das die Kriegsgeneration leider in der Mehrheit an den Tag gelegt hat. Vielleicht gelingt es offenen, neugierigen jungen Menschen wie Floriane sich mit der Vergangenheit ihrer Urgroßeltern zu versöhnen, aber natürlich ohne die Gräueltaten zu vergessen. Annette Matthaei
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DuMont 20,00€ |
Christine Drews: "Freiflug"Manchmal tut es doch sehr gut zu sehen, dass sich unsere Gesellschaft weiterentwickelt hat, dass bestimmte Entwicklungen nicht mehr umkehrbar sind, z.B. was die Gleichberechtigung von Männern und Frauen angeht. „Freiflug“ erzählt die Geschichte von Rita Maiburg, der ersten Frau in Deutschland, die als Pilotin ein Linienflugzeug steuerte – Mitte der 70er Jahre! Allerdings nicht etwa bei der Lufthansa, der größten deutschen Fluggesellschaft, damals geradezu ein Staatsunternehmen, sondern bei einem kleinen privaten Unternehmen. Erst 1988 durften die ersten Pilotinnen ins Cockpit der Lufthansa-Maschinen – als Co-Pilotinnen. Christine Drews erzählt die Geschichte von zwei mutigen Frauen, sehr unterhaltsam, gewürzt mit einer Liebes- und Familiengeschichte vor dem Hintergrund von Flower Power, Aufbruch und gleichzeitig noch sehr verkrusteten Strukturen – ein richtig schöner Schmöker. Astrid Henning
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Limes Verlag 18,00€ |
Amanda Eyre Ward: "Die Urlauber"Zum großen Bedauern der 71-jährigen Charlotte aus Giorgia sind ihr ihre drei erwachsenen Kinder Lee, Regan und Cord im Laufe der Jahre irgendwie abhanden gekommen. Dann stirbt zu allem Unglück auch noch ihre beste Freundin und stetige Begleiterin Minnie, und Charlotte wird schmerzlich bewusst, wie sehr ihr die Nähe anderer Menschen fehlt. Nicht dass sie ihren Ehemann Winston, der schon seit vielen Jahren tot ist (und nebenbei erwähnt auch kein ganz angenehmer Zeitgenosse war), sehr vermisst hätte; aber anstrengend war sie schon, die Zeit, in der Charlotte lernen musste, sich ohne Mann an der Seite in der Welt zurechtzufinden. Als Charlotte im Fernsehen von einem Wettbewerb hört, bei dem man eine Kreuzfahrt in Europa gewinnen kann, beschließt sie, teilzunehmen und diese Reise zu gewinnen. Denn was könnte die Risse in ihrer kleinen Familie besser kitten und ihre Einsamkeit und Leere schneller ausfüllen als eine gemeinsame, entspannte Urlaubsfahrt? Und tatsächlich: Einige Wochen später flattert der ersehnte Brief ins Haus und Mutter und Kinder samt Regans Gatten Matt steigen in den Flieger nach Athen, um dort das luxuriöse Kreuzfahrtschiff „Splendido Marveloso“ zu besteigen. Dummerweise wabern im Hintergrund jedoch diverse dunkle Familiengeheimnisse und Konflikte, die nur auf eine Möglichkeit gewartet haben, an die Oberfläche zu dringen - und so verläuft die Reise schließlich ganz anders als ursprünglich geplant... Wunderbar böse und humorvoll offenbart dieses Buch die Abgründe des Lebens und der Liebe im Chaos zwischenmenschlicher Beziehungen! Sabine Christ
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Ullstein Verlag 22,00€ |
Kiley Reid: "Such a Fun Age"Eine Empfehlung von Reese Witherspoons Buchclub! Nach Der Gesang der Flusskrebse, Kleine Feuer überall und Alles, was wir sind baue ich auf die Tipps der Schauspielerin und Produzentin und wurde wieder nicht enttäuscht. Emira ist Mitte Zwanzig und chronisch pleite. Als sie eines Nachts mit Freundinnen unterwegs ist, erhält sie einen Anruf von der Familie, für die sie babysittet und soll aufgrund eines Notfalls bei doppelter Bezahlung aushelfen. So landet die schwarze Frau nachts mit der kleinen Briar in einem Supermarkt und wird von der Security verdächtigt, das weiße Mädchen entführt zu haben. Sie wird erst aus der „fürsorglichen“ Obhut des Sicherheitsmannes entlassen, nachdem Briars Vater die beiden abholen kommt. Ein wahnsinniges Debüt: Such a Fun Age hat unglaublich gut unterhalten. Ich konnte nur laut loslachen, schockiert staunen und die Leute um mich herum in Diskussionen über diesen Text verwickeln. Kiley Reid schafft es mit scheinbarer Leichtigkeit Themen wie Rassismus und Klassenunterschiede zu behandeln, ohne zu belehren, während sie unbequeme Wahrheiten ausspricht. Sie lotet in Such a Fun Age die Privilegien aus, die durch Geld und Weiß-Sein bestimmt werden und den Unterschied zwischen Rassismus und Vorurteil ausmachen. Mattes Daugardt
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Kein & Aber 24,00€ |
Laila Lalami: "Die Anderen"Frühling in Oakland. Nora und ihre Mitbewohnerin genießen eisgekühlten Champagner, während hunderte von Kilometern entfernt in der kalifornischen Mojave-Wüste Noras Vater seinen Diner abschließt. Nur wenige Augenblicke später wird er von einem Auto überfahren, der Fahrer flieht und Noras Vater stirbt noch am Unfallort. Sofort nach Eintreffen der Nachricht reist Nora zu ihrer Familie. Ein Leben ohne ihren Vater Driss scheint unvorstellbar. Nie wieder darf sie seine Stimme hören... Als er sie wenige Stunden vor seinem Tod anrief, hatte sie ihn abgewürgt : Keine Zeit, Dad, wir telefonieren später,ok? Es wird kein "später" mehr geben. Gemeinsam mit der heimkehrenden Nora tauchen wir tief in die Geschehnisse vor, während und nach dem Unfall von Driss ein. Aus jeweils anderen Perspektiven wird uns eine vielschichtige und äußerst spannende Familiengeschichte erzählt, die Jahre zuvor in Marokko begann. Jeremy, ein alter Schulfreund von Nora, unterstützt sie bei der Suche nach dem flüchtigen Fahrer. Abgründe tun sich auf, als Nora Geheimnissen ihres Vaters auf die Spur kommt, und von Kapitel zu Kapitel zieht uns dieser Roman mehr in seinen Bann. Während die Polizei von Fahrerflucht mit Todesfolge ausgeht, will die Familie auf heimtückischen Mord klagen. Dieser Roman ist eine äußerst gelungene Mixtur aus Familiendrama, Gesellschaftskritik, Liebesgeschichte und Krimi - absolut lesenswert! Andrea Westerkamp
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